Baureife Abschnitte von Bundesstraßen im Land werden erst begonnen, wenn der Bundestag den Nachtragshaushalt beschlossen hat Foto: dpa

Baden-Württemberg kann vorerst keine Bundesstraßen mehr ausbauen oder neu bauen. Der Bund wird dafür keine Baufreigaben mehr erteilen, selbst wenn die Maßnahmen vollständig baureif sind. Dies hat Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt mitgeteilt.

Stuttgart - Der Straßenbau im Land gerät ins Stocken. Aber nicht, weil die grün-rote Landesregierung blockieren würde, wie die Opposition gerne mutmaßt, sondern weil dem Bund das Geld fehlt.

Erst vor wenigen Tagen hat Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) seinen Kollegen in Berlin, Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), zur Freigabe von sechs baureifen Straßenabschnitten im Land aufgefordert. Doch es herrscht Funkstille. Jetzt hat der grüne Bundestagsabgeordnete Harald Ebner (Wahlkreis Schwäbisch Hall/Hohenlohe) bei Dobrindt nachgehakt und eine ablehnende Antwort erhalten: „Gegenwärtig sind keine Spielräume für Baubeginne von Bundesfernstraßen vorhanden“, teilte Norbert Barthle (CDU) mit, Parlamentarischer Staatssekretär bei Dobrindt. Angesicht laufender Bauvorhaben, der Sanierung und Erneuerung zahlreicher Brücken sowie des steigenden Erhaltungsbedarfs sei „in den nächsten Jahren ein wesentlicher Teil der für Baden-Württemberg zur Verfügung stehenden Bundesmittel bereits gebunden“, so Barthle.

Diese Absage wird nicht nur von Ebner, sondern auch von seinem Fraktionskollegen, dem Bundestagsabgeordneten Matthias Gastel (Wahlkreis Nürtingen), scharf kritisiert. „Dass diese Straßenbau-Verhinderungs-Antwort ausgerechnet von Norbert Barthle unterschrieben ist, schlägt dem Fass den Boden aus“, meinen beide. Schließlich habe sich Barthle erst letzten Sommer als haushaltspolitischer Sprecher der Union „seine eigene Umgehungsstraße in seinem Wahlkreis trotz angeblich fehlender Spielräume genehmigt“. Damals hat der Bund vier Vorhaben in Baden-Württemberg mit Gesamtkosten von 234,8 Millionen Euro auf den Weg gebracht.

Unter den vier Vorhaben war auch die Ortsumgehung Mögglingen, die das Land gegenüber Berlin allerdings unter den weniger dringlichen Projekten aufgelistet hatte. Mögglingen liegt in Norbert Barthles Wahlkreis Backnang/Schwäbisch Gmünd. Frank und frei räumte er damals ein: „Meine Position im Haushaltsausschuss war sicher nicht schädlich.“ Sogar eine eilige Pressekonferenz beraumte er damals an, um seinen Erfolg zu verkünden. Dobrindt hatte Barthle über die Baufreigabe für Mögglingen informiert, noch bevor er die grün-rote Landesregierung ins Bild setzte.

Ebner und Gastel schimpfen: „Die Amigo-Politik in der Vergangenheit und das heutige Nein zu weiteren Baufreigaben rücken eine vernünftige Verkehrspolitik auf Bundesebene in weite Ferne.“ Straßenbaupolitik in Baden-Württemberg werde so „zum Spiel mit gezinkten Karten. Ein Spiel, das sich außerhalb der Union niemand leisten kann und will.“

Abgesehen davon halten sie das Nein aus Berlin für fatal. Obwohl das Land finanzielle Spielräume für Baubeginne habe, blockiere Dobrindt die Baufreigaben. „Praktisch bedeutet das ein Straßenbau-Verbot“, monieren beide. Denn ohne die Zustimmung des Bundes könne das Land kein neuen Bauvorhaben mit Mitteln des Bundes beginnen. Bleibe Dobrindt bei dieser Linie, zwinge er das Land, Millionenmittel ungenutzt an den Bund zurückgeben zu müssen, statt sie für die Infrastruktur einzusetzen.

Norbert Barthle versucht angesichts der Kritik an seiner Antwort, den Ball wieder flach zu halten. Er gehe davon aus, dass es dieses Jahr doch noch zu Baufreigaben kommen werde, sagt er. Möglich werde dies durch sieben Millionen Euro im Nachtragshaushalt, von denen 4,3 Millionen für Straßen- und Breitbandausbau vorgesehen seien. Allerdings wird der Nachtrag am 18. März im Kabinett behandelt und muss dann durch das Parlament, den Haushaltsausschuss und den Bundesrat, bis er – frühestens im Juni – Gesetz wird. Bis dahin sei aber unklar, welche Spielräume sich tatsächlich eröffneten. Barthle sagt, Baden-Württemberg habe „hohen Nachholbedarf“, das Land werde wohl „einen ordentlichen Brocken“ abbekommen. Bis dahin gehen allerdings noch Monate ins Land.

Am Donnerstag hat der Bund überraschend dem vorgezogenen Bau einer Brücke im Zusammenhang mit der B-10-Trasse Süßen-Ost bis Gingen-Ost zugestimmt. Damit sei ein kleiner, aber wichtiger Schritt zum Weiterbau der B 10 getan, erklärte die verkehrspolitische Sprecherin der CDU im Landtag, Nicole Razavi. Diese Freigabe sieht Razavi als wichtiges Signal, dass es der Bund mit dem Weiterbau der B 10 ernst meine. Wenn der Bundestag die Investition von 4,3 Milliarden für Breitband- und Straßenausbau beschließt, rechnet Nicole Razavi mit 300 Millionen Euro zusätzlich für Baden-Württemberg in den Jahren 2016 bis 2018.