Finanzminister Olaf Scholz will bei der Etatvorstellung will mit Grafiken überzeugen. Foto: dpa

Finanzminister Olaf Scholz (SPD) dürfte sich die Premiere wohl anders vorgestellt haben: Sein erster Etatentwurf stößt in der großen Koalition auf einige Kritik. Der Finanzminister zeigt sich davon jedoch unbeeindruckt.

Berlin - Der neue Finanzminister beginnt ohne Vorrede: „Die Bundesregierung wird erneut eine solide Finanzplanung vorlegen“, sagt Olaf Scholz (SPD) bei seiner Premiere. Zum ersten Mal stellt er einen Haushaltsentwurf vor: den fürs laufende Jahr und die Finanzplanung bis 2022. Der frühere Erste Bürgermeister von Hamburg ist gut sechs Wochen im Amt und will jetzt liefern. Das Zahlenwerk soll zeigen, wohin die finanzpolitische Reise in den kommenden Jahren geht. Schon nach wenigen Augenblicken wird klar, dass Scholz bei der Etataufstellung ähnlich denkt wie Vorgänger Wolfgang Schäuble (CDU). „Der Haushalt ist solide, das ist ein gutes Kennzeichen“, beschreibt Scholz das neue und alte Credo. Bis 2022 will der Bund keine neuen Schulden aufnehmen. Spätestens im nächsten Jahr sinkt die Schuldenstandsquote unter die Obergrenze nach dem Maastricht-Vertrag: also unter 60 Prozent des Sozialprodukts. Das ist das erste Mal seit 2002.

Kabinettsmitglieder gehen auf Distanz

Doch der gute Trend geht bei der Vorstellung des Etats unter. Scholz muss sich erstaunlich viel Kritik anhören. Kurz zuvor haben die Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und Entwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU) im Kabinett eine Protokollnotiz abgegeben, wonach sich ihre Einzeletats noch erhöhen müssten. Das ist zumal für den Start ungewöhnlich. Bei Vorgänger Schäuble hätten sich die Kabinettskollegen das wohl nicht getraut. Scholz wischt die Bedenken zur Seite. Für ihn zählt, dass das Kabinett sowohl den Haushalt als auch die Finanzplanung einvernehmlich beschlossen hätten. Offener Widerstand im Kabinett wäre ein Affront gewesen. Es steht aber fest, dass der neue Finanzminister einen schwierigeren Stand hat als sein Vorgänger. Das zeigt sich auch daran, dass der Unions-Haushaltspolitiker Eckhardt Rehberg Lücken im Etat sieht. Er vermisst, dass zu wenig Vorsorge für höhere EU-Zahlungen getroffen worden sei. Der neue Finanzminister muss sich auf Gegenwind einstellen.

Doch davon zeigt er sich wenig beeindruckt. Gebetsmühlenhaft gibt Scholz die Wohltaten der großen Koalition wieder. Ob Kindergelderhöhung im Juli kommenden Jahres, Gebührenentlastung bei Kitas, mehr Geld für die Digitalisierung oder Programme für Langzeitarbeitslose – die neue Regierung werde massiv in den sozialen Zusammenhalt investieren, sagt Scholz. Er verdeutlicht das mit großen Zahlen: Allein für die Erhöhung von Kindergeld und Kinderfreibetrag seien bis 2022 fünf Milliarden Euro vorgesehen. In die Förderung des Wohnungsbaus sollen rund zwei Milliarden Euro fließen. Die Mittel für Verkehrsinvestitionen steigen von 14 Milliarden Euro in diesem Jahr auf 15 Milliarden Euro im Jahr 2022.

Die Investionen sollen 2019 die Spitze erreichen

Scholz feuert eine Salve an Beispielen ab, um Zweifel an der Investitionsoffensive der Regierung zu zerstreuen. Denn schon vor der Vorstellung des Haushalts ist durchgesickert, dass die Investitionen des Bundes in naher Zukunft wieder zurückgehen. In diesem Jahr erhöhen sich die Investitionen laut Entwurf zwar um drei Milliarden auf 37 Milliarden Euro. Sie erreichen die Spitze dann 2019, sinken danach aber auf 33,5 Milliarden Euro im Jahr 2022. Scholz macht dafür haushaltstechnische Gründe verantwortlich. Da 2020 der Länderfinanzausgleich ausläuft und der Bund den Ländern zusätzlich rund zehn Milliarden Euro jährlich überweist, komme es zu einer Verschiebung der Investitionen. Ein Teil der Investitionen, die bisher noch der Bund tätigt, wird dann von den Ländern verantwortet. Scholz beharrt darauf, dass die schwarz-rote Regierung eine Investitionsoffensive plant. Bis 2021 beliefen sich die Investitionsausgaben auf 146 Milliarden Euro.

In diesem Jahr plant Scholz im Bundesetat Ausgaben von 341 Milliarden Euro, das ist eine Steigerung von drei Prozent. Weil der Bundestag den Etat wegen der langen Regierungsbildung erst Anfang Juli verabschieden wird, will die große Koalition den Großteil ihrer politischen Schwerpunkte erst von 2019 an umsetzen. Im nächsten Jahr sollen die Ausgaben schon um 4,4 Prozent steigen. Es ist damit zu rechnen, dass der Etatplan in den nächsten Wochen im Parlament noch verändert wird. Scholz sieht selbst noch Änderungsbedarf.

Scholz denkt an Ausgleich für kalte Progression

Der Finanzminister kündigte an, dass er an einen Ausgleich der heimlichen Steuererhöhungen denkt, die durch das Zusammenwirken von progressivem Einkommensteuertarif und Teuerungsrate entstehen. Es sei ihm ein Anliegen, dass es eine Kompensation für die kalte Progression gebe. Das ist durchaus eine Ansage: Denn im Koalitionsvertrag steht nur geschrieben, dass ein Ausgleich für die kalte Progression geprüft wird. Schon die frühere Bundesregierung hatte den Steuertarif regelmäßig an die Inflationsrate angepasst. Wegen der niedrigen Teuerungsrate hielt sich die Entlastung für die Steuerzahler allerdings in Grenzen. Scholz will an diesem Verfahren festhalten. Im Haushalt hat er dafür aber noch keine Vorsorge getroffen.

Offen ist auch, wie der Bund die absehbaren höheren Zahlungen an die EU schultert. Wegen des Brexits kommen auf Deutschland höhere Beiträge zu. Dass sich hier noch Etatrisiken verstecken, macht Scholz deutlich. Wenn es beim bisherigen EU-Finanzvolumen bleibt, kämen auf Deutschland im Schnitt zusätzlich zehn Milliarden Euro pro Jahr an höheren EU-Zahlungen zu, führt der Minister aus. Grund dafür ist der EU-Austritt Großbritanniens. Scholz lässt durchblicken, dass er höhere Zahlungen nicht akzeptieren werde. Die EU-Kommission plant eine Ausweitung des Finanzrahmens.

Die Entwicklung in der EU ist nicht die einzige Unwägbarkeit. Auch bei der Umsetzung des Koalitionsvertrags könnte Scholz noch auf Widerstände stoßen. Unbeirrt hält der Finanzminister daran fest, dass die geplante Erhöhung der Mütterrente allein von den Beitragszahlern der Rentenversicherung finanziert wird. Dabei geht es um zusätzliche Ausgaben von 3,4 Milliarden Euro jährlich. Die Koalition habe laut Scholz vereinbart, die zusätzlichen Belastungen allein aus Mitteln der Sozialversicherung zu bezahlen. Die Finanzreserve der Rentenversicherung dürfte so rasch sinken.