Wirtschaftsminister Robert Habeck und andere Minister wurden mit dem Hubschrauber zum Flughafen gebracht, damit sie schnell nach Holland weiter fliegen konnten. Foto: dpa/Kay Nietfeld

Endlich sollte der Knoten platzen – doch am Ende kommt man nicht zu Potte. Statt Durchbrüchen nach langem Streit hat das Ampel-Bündnis nach nächtlichen Gesprächen nichts vorzuweisen. Die Hängepartie zieht sich bis in den Dienstag.

Regierungssprecher Steffen Hebestreit ist für seine trockenen, präzisen Kommentare bekannt. „Als ich den Kanzler vorhin traf, hatte ich nicht den Eindruck, dass er besonders viel geschlafen hat heute Nacht“, sagte Hebestreit am Montag. Und, kein Zweifel, so wird es auch gewesen sein.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte die Latte für den Koalitionsausschuss am Sonntag eigentlich nicht zu hoch gelegt. „Ich bin zuversichtlich, was die weitere Modernisierung des Landes betrifft“, hatte Scholz am Samstag gesagt. Die Koalition habe sich Großes vorgenommen. Und: Er sei „zuversichtlich, dass wir jetzt einen kleinen Sprung nach vorne machen mit verschiedenen Aufgaben, die wir uns vorgenommen haben“, so Scholz. Ein kleiner Sprung also war angekündigt. Am Sonntag und Montag ist es noch nicht dazu gekommen.

Nach Wochen des Streits in der Koalition über zahlreiche Themen war die öffentliche Erwartung groß gewesen, dass das Treffen der Koalitionsspitzen zumindest einen gewissen Fortschritt bringen würde. Gleichzeitig war vorab aus der Koalition zu hören, dass viele mit genau dem rechneten, was die Ampel eigentlich grundsätzlich vermeiden wollte: einer Nachtsitzung. Grüne und FDP sehen den jeweils anderen als Schuldigen dafür, dass es so lange dauert, Kompromisse zu finden – und Themen auch mal endgültig zu klären.

Gelungen ist das im Koalitionsausschuss weder in den Stunden am Sonntagabend und in der Nacht, noch in der Zeit bis zum frühen Montagnachmittag. So lange hatten die Koalitionsspitzen miteinander verhandelt – bis Teile von ihnen, Kanzler inklusive, eilig zu den deutsch-niederländischen Regierungskonsultationen in Rotterdam aufbrechen mussten. Nach langen Stunden der Verhandlungen vertagte sich der Koalitionsausschuss also – auf den Dienstag.

Lange Liste mit Streitthemen

SPD, FDP und Grüne verbreiteten nur ein dürres Statement, in dem es lediglich hieß, die Beteiligten seien „in vertrauensvollen und konstruktiven Gesprächen weit vorangekommen“. Zum Inhalt der Gespräche äußerten sie sich nicht. Klar war aber, dass die Koalitionspartner nicht zuletzt über das Thema Planungsbeschleunigung gesprochen haben dürften – ein Projekt, das nicht zum ersten Mal in dem Gremium auf der Tagesordnung stand.

FDP und Grünen streiten seit Monaten über das Thema. In Kürze zusammengefasst: Die Grünen wollen, dass nur Brücken und Bahnstrecken schneller gebaut werden. Die FDP besteht darauf, dass dies auch für Autobahnen gilt. Politiker beider Parteien haben unter der Hand übrigens immer wieder beklagt, dass die Sozialdemokraten und Kanzler Scholz sich in der Frage nicht eindeutig genug positioniert hätten – im jeweils eigenen Sinne. Klar ist aber: Planungsbeschleunigung ist ein Thema, das dem Kanzler wichtig ist – wie auch immer die Einigung am Ende aussieht.

FDP-Chef Lindner twittert vom „Ideenreichtum“

Zu den Streitpunkten in der Koalition zählt auch der Ausstieg aus Gas- und Ölheizungen. Zum Ärger von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) war vorab ein Gesetzentwurf durchgesickert, laut dem der Einbau von Heizungsanlagen auf Basis ausschließlich fossiler Energieträger ab 2024 nicht mehr erlaubt wäre. Die SPD dringt darauf, dass soziale Härtefälle berücksichtigt werden. Die FDP hat sich gegen ein rasches Verbot von Öl- und Gasheizungen ausgesprochen.

Ein Streit, der die Ampelkoalition voraussichtlich noch länger begleiten dürfte, ist der über den Haushalt für das Jahr 2024. Die einzelnen Ressorts haben einen Bedarf von 70 Milliarden Euro mehr angemeldet als vorgesehen war. Finanzminister Christian Lindner (FDP) hat den Beschluss über die Eckwerte für den Haushalt verschoben – und klargemacht, dass noch einmal grundsätzlich über die „finanzpolitischen Realitäten“ gesprochen werden müsse. Dafür hat er, so scheint es, auch die Rückendeckung des Bundeskanzlers.

Lindner twitterte am Montag übrigens: „Ideenreichtum, #Schlafmangel, #Koalitionsausschuss“. Gut wäre es, wenn am Dienstag vor allem das Wort Ideenreichtum übrig bliebe.