Bundespräsident Joachim Gauck in Prag. Foto: dpa

Bundespräsident Gauck erinnert bei seinem Besuch in Tschechien an die wechselhafte Geschichte der beiden Nachbarländer. Es erscheine manchmal "wie ein Wunder", dass Tschechien und Deutschland den Mut zu Verständigung und Versöhnung gefunden hätten.

Bundespräsident Gauck erinnert bei seinem Besuch in Tschechien an die wechselhafte Geschichte der beiden Nachbarländer. Es erscheine manchmal "wie ein Wunder", dass Tschechien und Deutschland den Mut zu Verständigung und Versöhnung gefunden hätten.

Prag - Bundespräsident Joachim Gauck hat bei seinem Staatsbesuch in Tschechien an die deutsche Besatzung des Landes, aber auch an die Vertreibung der Sudetendeutschen erinnert. In einer Rede an der Karls-Universität in Prag sagte Gauck am Dienstag: „Es ist gar keine Frage, dass die Geschichte der tschechisch-deutschen Beziehungen auch eine Geschichte des Leids ist.“ Deshalb erscheine es manchmal wie ein Wunder, dass beide Länder den Mut zu Verständigung und Versöhnung gefunden hätten, sagte Gauck.

„Flucht, Vertreibung, Zwangsaussiedlung, ethnische Säuberung - wie immer Sie es nennen mögen“, sagte Gauck zum Schicksal der Sudetendeutschen. Nach den nationalsozialistischen Verbrechen und der Befreiung 1945 hätten die Deutschen in der Tschechoslowakei ihre Heimat verlassen müssen - „Schuldige und Unschuldige zugleich“.

Bei einem Mittagessen mit Ministerpräsident Bohuslav Sobotka würdigte Gauck die stärkere Hinwendung der tschechischen Regierung zu Europa. Die Übernahme der Grundrechtecharta und die Zustimmung zum Fiskalpakt seien wichtige Schritte. Wer Europa voranbringen wolle, müsse verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen. Vor allem die Jugend in Europa brauche eine Zukunftsperspektive, sagte Gauck.

An der Universität erinnerte der Bundespräsident an die vielen Tschechen, die ihren deutschen Mitbürgern 1945 Schutz geboten hätten. Auch habe Tschechien 2005 seine Anerkennung für sudetendeutsche Widerstandskämpfer und Verfolgte des Naziregimes zum Ausdruck gebracht.

Gauck, der in der ältesten Universität Mitteleuropas mit einer Gedenkmedaille ausgezeichnet wurde, würdigte den Widerstand der Tschechen gegen die deutsche Besatzung ebenso wie gegen das kommunistische Regime. Er erinnerte an die Selbstverbrennung des Studenten Jan Palach 1969 und an den Dissidenten und späteren Präsidenten Vaclav Havel, den er ein „großes Vorbild“ nannte. Er habe mitgeholfen, eine friedliche Zukunft von Tschechen und Deutschen in einem gemeinsamen Europa möglich zu machen.

Am Nachmittag wollte der Bundespräsident zusammen mit dem tschechischen Präsidenten Milos Zeman das frühere Konzentrationslager und Ghetto in Theresienstadt besuchen, in dem während der Nazi-Besatzung Zehntausende ums Leben kamen. Theresienstadt war nach der Wannseekonferenz 1942 auch ein Durchgangslager für Juden aus Deutschland und anderen europäischen Ländern, die später in die Vernichtungslager im Osten transportiert wurden.

Am Mittwoch besucht Gauck ein Werk des zum Volkswagen-Konzerns gehörenden Autobauers Skoda und kehrt nach einer Diskussion mit Schülern und Intellektuellen am Abend nach Berlin zurück.