Folgen dem Supercup vom vergangenen Wochenende noch mehrere Titel? Foto:  

Für den FC Bayern geht es in Vincent Kompanys zweiter Saison um Titel – und um mehr als das Viertelfinale in der Champions League. Die Bundesliga-Vorschau.

Im August verschickte der FC Bayern München eine Mitteilung, die von den Sehnsüchten im Verein erzählte. Es ging darum, das neue Trikot für die Champions League zu bewerben, in dessen Saum „Grüße vom Rathausbalkon“ eingelassen sind, die zum Leitmotiv der anstehenden Spielzeit werden sollen. „Am Saisonende möchte der FC Bayern seinen Anhängern dort wieder die eine oder andere Trophäe präsentieren“, hieß es.

 

Es gehört zur Kultur des deutschen Rekordmeisters, stets die höchsten Ziele auszurufen. Anders lässt sich kaum interpretieren, dass das Team in Europas wichtigsten Vereinswettbewerb mit Jerseys geschickt wird, die Spielern und Konkurrenten das Reiseziel schriftlich vor Augen führen. Ob die Münchner jedoch den Balkon am Marienplatz mit der Trophäe der Champions League betreten können, ist ungewiss. Ob der Kader mit Zugängen wie Luis Díaz, Jonathan Tah und Tom Bischof statt Abgängen wie Leroy Sané, Eric Dier, Thomas Müller und João Palhinha besser ist als in der vergangenen Saison, muss sich zeigen.

Zuletzt war der angestrebte internationale „Titel dahoam“ in der Allianz-Arena durch das Aus im Viertelfinale gegen Inter Mailand verpasst worden. Nun soll es mehr sein als das Viertelfinale, in dem seit dem letzten Gewinn des Henkelpotts 2020 für die Bayern in vier von fünf Fällen Schluss war. Die Ausnahme bildete das Halbfinale gegen Real Madrid 2024. Und auch aus der Club-WM verabschiedeten sich die Münchner zuletzt im Viertelfinale gegen Paris Saint-Germain.

Dennoch hat es seine Berechtigung, den Rathausbalkon mit Silberware erklimmen zu wollen. Das ist in den nationalen Wettbewerben sogar eine Selbstverständlichkeit. In die am Freitag mit dem Heimspiel gegen

RB Leipzig startende Bundesliga-Saison geht der Meister ebenso alsgroßer Favorit wie in den DFB-Pokal. Allein deshalb, weil sich die Münchner die mit Abstand teuerste Belegschaft hierzulande leisten. Zuletzt belief sich die Schätzung des Kadermarktwerts laut transfermarkt.de* auf rund 906 Millionen Euro. Der Auftaktgegner Leipzig folgte auf Platz zwei mit 486,45 Millionen Euro, satte 419,55 Millionen Euro weniger als bei den Bayern.

Das erste Bundesligaspiel könnte gleich die Korrelation zwischen wirtschaftlichen und sportlichen Kräfteverhältnissen veranschaulichen, wenngleich die Münchner durch die Club-WM eine viel kürzere Vorbereitung hatten als die Leipziger und nicht in Topform sein dürften. Hinter Leipzig folgten im Marktwertranking zuletzt Bayer Leverkusen (407,05 Millionen Euro) und Borussia Dortmund mit 402,10 Millionen Euro, nicht einmal halb so viel wie bei den Bayern. Da die Vereine unterschiedliche Kadergrößen haben, erlaubt der durchschnittliche Spielerwert genauere Aufschlüsse. Dieser lag beim FC Bayern bei rund 30 Millionen Euro. Leverkusen (17 Mio.), Dortmund und Leipzig (je 15 Mio.) brachten es auf etwa die Hälfte.

So ergibt sich, dass nur das Double aus Meister- und Pokaltitel das Saisonziel der Münchner sein kann. Umso erstaunlicher, dass der deutsche Branchenkrösus letztmals 2020 den DFB-Pokal gewann und seither dreimal in der zweiten Runde sowie je einmal im Achtel- und Viertelfinale ausschied. Herbert Hainer formulierte den Pokalauftrag am Finalwochenende Ende Mai bei einem Fanclub-Besuch. „Wir versprechen uns alle, dass wir uns nächstes Jahr zum selben Zeitpunkt wiedertreffen, aber dann in Berlin“, sagte der Bayern-Präsident. Aufgrund des wirtschaftlichen Vorsprungs liegt die Forderung der Clubspitze an Bayerns Trainer Vincent Kompany nahe, verstärkt Talente einzubauen, zumindest für die nationalen Wettbewerbe. Genannt worden waren Lennart Karl, 17, und Paul Wanner, 19.

Gerade bei Letzterem schien ein Wechsel noch möglich. Das Ziel formulierte Vorstandschef Jan-Christian Dreesen dennoch ganz eindeutig: „Wir wollen eigene Spieler zu uns in die erste Mannschaft bringen.“ Das gelinge noch zu selten.

Und nebenbei könnten die Münchner den ausufernden Transferkosten begegnen und eigene Werte schaffen. In Verbindung mit Titeln könnte das zu Jubel, Trubel, Heiterkeit oder abgewandelt zu Jubel, Double, Jugendlichkeit führen. Das wäre Teil der gewünschten Weiterentwicklung in Kompanys zweiter Saison. In der Champions League dürfte es mit den erhofften Grüßen vom Rathausbalkon auch schwierig werden, da die Bayern dort beim Kadermarktwert zuletzt auf Platz acht standen. Auf die Topteams Real Madrid, Manchester City und FC Arsenal wiesen die Bayern einen Rückstand von über 400 Millionen Euro auf. Beim durchschnittlichen Spielerwert lag Real (53 Millionen Euro) vor Arsenal (47 Mio.) und Barcelona (43 Mio.), der FC Bayern (30 Mio.) folgte auf Platz acht. Verglichen mit den wirtschaftlichen Verhältnissen in der Bundesliga sind die Münchner sozusagen der RB Leipzig der Champions League. Den Münchner Balkon mit dem Henkelpott zu erklimmen, wäre für sie ein ähnlich spektakulärer, weil unwahrscheinlicher Erfolg wie für Leipzig der Meistertitel.

*Marktwerte: Stand 20. August