Beklagt die „Gemächlichkeit“ des FC Bayern: Thomas Müller Foto: Bongarts/Getty

Die deutschen Vertreter in der Königsklasse sind noch nicht in Form: Der FC Bayern und der VfL Wolfsburg präsentieren sich schläfrig, bei Bayer Leverkusen und Gladbach geht die Angst vor dem Fehlstart in Europa um.

Stuttgart - Wenn sogar Jérôme Boateng die Darbietung seiner Münchner Bayern zumindest eine Halbzeit lang nicht mal als zweitligareif einschätzt, dann ist Alarm angesagt im Land der Lederhosen. Dieter Hecking, dem Trainer des VfL Wolfsburg, war angesichts des bescheidenen 0:0 bei Neuling FC Ingolstadt der 51. Geburtstag vermiest, Borussia Mönchengladbach (0:3 gegen Dauerpatient Hamburger SV) ist zurzeit jenseits von Gut und Böse, und in Leverkusen frotzelte Marco Sailer vom kecken Aufsteiger Darmstadt 98 über das 1:0 gegen Bayer: „Es macht Spaß, wenn der Gegner die Nerven verliert und ihm nichts mehr einfällt.“

So viel zur Zustandsbeschreibung der vier deutschen Starter in der Königsklasse. Helm auf – an diesem Dienstag und Mittwoch müssen sie den Schalter umlegen.

Bayern München: Als sich die Wogen der Erregung um den falschen Pfiff von Schiedsrichter Knut Kircher geglättet hatten, sahen alle wieder klarer. Und Jérôme Boateng redete Klartext. „Die erste Halbzeit reicht auch nicht für die zweite Liga“, polterte der Münchner Abwehrchef nach dem glücklichen 2:1 gegen den FC Augsburg. Die Mannschaft habe sich nach der Länderspielpause „ein bisschen gehen lassen“, sprach Siegtorschütze Thomas Müller, „wir waren vor der Pause zu gemächlich.“ Pep Guardiola gab ihm recht. „Unsere Körpersprache war nicht gut. Ich hoffe, es ist uns eine große Lehre für die Zukunft“, sagte der Trainer.

Trotz 80:20 Prozent Ballbesitz, 27:4 Torschüssen und 9:0 Ecken zugunsten des Rekordmeisters bedurfte es des folgenschweren Fehlpfiffes von Schiedsrichter Knut Kircher. Bayern-Neuzugang Douglas Costa war auf Markus Feulner aufgelaufen, zu Unrecht entschied Kircher auf Strafstoß für die Münchner, den Thomas Müller zum 2:1 verwandelte. „Katastrophal, bodenlos, eine Frechheit. Wir sind beschissen worden“, tobte Augsburgs Trainer Markus Weinzierl, der sich mit seiner Truppe an diesem Donnerstag (21.05 Uhr/Sky) bei Athletic Bilbao in das Abenteuer Europa League stürzt. Die Bayern bekommen es an diesem Mittwoch (20.45 Uhr/ZDF, Sky) in der Champions League mit Olympiakos Piräus zu tun. „Da muss jeder 100 Prozent auf dem Platz stehen, sonst kann es in die Hose gehen“, warnte Kapitän Philipp Lahm.

Aufsteiger FC Ingolstadt ärgert den VfL Wolfsburg

VfL Wolfsburg: 14 Jahre hatte Julian Draxler das Trikot des FC Schalke 04 getragen. Im Spiel beim Aufsteiger FC Ingolstadt (0:0) kickte der 36 Millionen Euro teure Neuzugang erstmals für die Wölfe, wo er den 75-Millionen-Mann Kevin de Bruyne (zu Manchester City) ersetzen soll, und fand sein Spiel „sehr ausbaufähig“. Das galt für die ganze Mannschaft. „Der Spielaufbau war zu stockend. Wir waren nicht zwingend genug“, monierte Trainer Dieter Hecking das behäbige Treiben – auch mit Blick auf das Champions-League-Spiel gegen ZSKA Moskau an diesem Dienstag (20.45 Uhr/Sky). Ingolstadt jedenfalls ärgerte die Millionentruppe mit bissigem Pressing, Leidenschaft und mannschaftlicher Geschlossenheit. Der Lohn: sieben Punkte nach vier Spielen. „Dreimal haben wir gut gespielt, einmal waren wir überfordert“, befand Trainer Ralph Hasenhüttl und versprach: „Wir bleiben mutig! Wir bleiben frech!“

Bayer Leverkusen: Vor der Partie in der Königsklasse gegen den weißrussischen Vertreter Bate Borissow (mit Ex-VfB-Profi Alexander Hleb) an diesem Mittwoch (20.45 Uhr/Sky) geht bei Bayer die Angst vor einem Fehlstart um. Die kompakte Defensive des Aufsteigers stürzte die Mannschaft von Trainer Roger Schmidt in kollektive Ratlosigkeit. Selbst die Einwechslung der zusammen rund 23 Millionen Euro teuren Neuzugänge Chicharito und Kevin Kampl brachte nicht die Wende. „Was die Cleverness betrifft, müssen wir noch viel lernen“, bemerkte Schmidt, der gegen Bate wohl auf Ex-VfB-Profi Roberto Hilbert verzichten muss. Den Rechtsverteidiger, der in allen sieben Pflichtspielen der Saison durchgespielt hatte, plagt eine Reizung im linken Knie.

Borussia Mönchengladbach: Vorfreude auf die Königsklasse nach 37 Jahren Abstinenz? Keine Spur! Wie auch, bei null Punkten, 2:11 Toren und Platz 18 in der Liga! „Das ist ein Schlag ins Wasser“, sagte Max Eberl nach dem 0:3 gegen den HSV. Der Manager gab vor der Partie beim FC Sevilla (Dienstag, 20.45 Uhr/Sky) erneut Treueschwüre für Trainer Lucien Favre ab: „Er macht einen fantastischen Job.“ Favre stellt die Liga über die Königsklasse, doch in beiden Wettbewerben fehlt ihm erst mal Martin Stranzl. Der Abwehrchef war nach fünfmonatiger Verletzungspause gerade genesen und musste am Freitagabend nach einem Zusammenprall mit Teamkollege Havard Nordveit an der Augenhöhle (Fraktur) operiert werden. Stranzl fällt bis zu zwei Monate aus.