Vier Trainer, vier Clubs, vier Herangehensweisen – die Bundesliga-Spitze im Umbruch Foto: dpa (3), Getty

Die Bundesliga startet an diesem Freitag mit dem Spiel des FC Bayern gegen 1899 Hoffenheim in die neue Saison. Im Mittelpunkt stehen dann die Trainer – wie bei der Konkurrenz.

Stuttgart - EinUmbruch, ja was wäre denn ein Umbruch an der Spitze der Fußball-Bundesliga? Klar: Es bräuchte nach sechs Jahren wieder einen anderen Meister – und es gibt nicht wenige, die kurz vor dem Saisonstart sagen, dass das ungefähr so realistisch ist wie eine Fanfreundschaft samt geteiltem rot-blauen Schal zwischen dem VfB Stuttgart und dem Karlsruher SC.

Droht also wieder mal die totale Langweile, mit dem FC Bayern ganz vorne und dem Kampf um die inoffizielle Meisterschaft dahinter, in dem der Zweite der berühmte Erste vom Rest ist? Droht also wieder ein Jahr ohne den echten, den womöglich einzig wahren Umbruch? Vielleicht.

Zumindest hinter dem FC Bayern ist Spannung garantiert

Spannend und aufregend aber wird es trotzdem in der Ballsaison 2018/19, die an diesem Freitagabend mit der Ouvertüre der Münchner Meister gegen 1899 Hoffenheim startet. Spannend deshalb, weil die Spitze, losgelöst von allen Meisterfragen, tatsächlich mitten im Umbruch ist – und weil deshalb alles offen ist.

Auch beim ständigen Spitzenreiter selbst. Niko Kovac heißt die neue Losung bei den Bayern, und mit dem neuen Trainer kam auch das sogenannte Arbeitergen mit nach München. Behauptet zumindest Niko Kovac selbst – und untermauerte seine Thesen mit allerlei praktischen Maßnahmen. Jahrelange Beobachter des Rekordmeisters berichteten in der Vorbereitung, dass seit der Amtszeit eines gewissen Felix Magath nicht mehr so lange und vor allem so hart trainiert wurde. Kovac also kann auch den Quälix geben. Mutmaßlich wird die neue Bayern-Elf, zumindest was die körperliche Fitness angeht, wieder einsame Spitze sein. Ob Kovac es allerdings auch schafft, ein Starensemble erfolgreich zu moderieren, Fortschritte zu erzielen oder neben dem Pflichttitel, der deutschen Meisterschaft, auch auf europäischer Ebene wieder ganz nach vorne zu kommen, ist in diesem ersten Umbruchjahr beim Rekordmeister völlig offen.

Kann Kovac Spitzenclub?

Bisher ging der Arbeitsnachweis des Niko Kovac auf Clubebene ja nicht darüber hinaus, der Multikultitruppe von Eintracht Frankfurt Zusammenhalt, Kraft sowie einen Korpsgeist einzuimpfen und seine Kämpfer-Elf so zum Triumph im DFB-Pokal zu führen. Wie Kovac nun mit der neuen Herausforderung – großer Club, große Stars, noch größere Ansprüche – umgehen wird, das ist die große Frage. Ebenso wie jene, ob der Mann mit dem Arbeitergen es auch schafft, die anspruchsvollen Künstlerseelen im und um den FC Bayern mit einer spielerischen Weiterentwicklung zu befrieden.

Erste Antworten darauf wird es im ersten Duell der neuen Saison geben, das gleich ein Spitzenspiel ist. Bayern gegen Hoffenheim – gegen jenes Hoffenheim also, bei dem alles beim Alten bleibt. Zunächst. Der erste Umbruch kommt aber auch bei den Kraichgauern schnell – spätestens im September, wenn es losgeht mit der Champions League. Die Nagelsmann-Jünger sind dann zum ersten Mal dabei, und der Kapitän Kevin Vogt gab schon mal die Marschrichtung vor. Er betonte, dass ihm bloß keiner mit der angeblich so anstrengenden Dreifachbelastung als Ausrede kommen soll. Weil das mit der Champions League eben so besonders ist.

Hoffenheim vor schwierigem Spagat

Der Dorfclub entert die ganz große europäische Bühne – was er parallel dazu auf der kleineren nationalen leisten kann, wird sich zeigen. Es ist vielleicht ein bisschen so wie bei einem Kind, das zum ersten Mal einen großen Freizeitpark mit den tollsten, größten und schnellsten Achterbahnen erlebt – und dann am Wochenende wieder auf die Dorfkirmes muss, wo das Boxauto die größte Attraktion ist. Erst Real Madrid, dann der FC Augsburg oder der VfL Wolfsburg – wer diesen Kontrast zum ersten Mal erlebt, tut sich oft schwer damit. Vor allem im Kopf.

Leistung und Einstellung in drei Wettbewerben in die richtigen Bahnen zu lenken, das ist die Aufgabe von Julian Nagelsmann – und vielleicht auch so etwas wie sein erster persönlicher Umbruch in der alltäglichen Arbeit. Der größte beim Coach und der TSG kommt dann im Sommer 2019.

Lame ducks in der Bundesliga?

Dann wird Nagelsmann Hoffenheim verlassen und Richtung Osten zu RB Leipzig wechseln. Schon länger ist klar, dass der Mann, der auch ein Angebot von Real Madrid in der Tasche hatte, von 2019 an den Brauseclub übernimmt – und deshalb in seiner letzten Saison in Hoffenheim unter besonderer Beobachtung steht. Wahrscheinlich gehen schon nach der ersten Niederlage die Diskussionen darüber los, ob Nagelsmann auch einer dieser berühmten lame ducks ist – einer von den lahmen Enten also, die, weil ihr Abschied längst feststeht, beim aktuellen Arbeitgeber nix mehr taugen und zustande kriegen.

Ralf Rangnick wird diese Probleme nicht haben. Gut, auch er geht in sein letztes Jahr als Trainer in Leipzig – weil es aber nach einigen Jahren Pause als Coach auch sein erstes ist, wird er wohl nicht als lahme Ente enden. Auch, weil der Sportvorstand, der sich im Leipziger Übergangsjahr nach Ralph Hasenhüttl und vor Julian Nagelsmann als Trainer zur Verfügung stellte, mittlerweile komplett über den Dingen zu schweben scheint. Auf die Frage, ob er irgendwann mal lieber Bundestrainer oder deutscher Meister werden wolle, stellte der frühere Fußballprofessor der „SZ“ kürzlich ganz gelassen eine Gegenfrage: „Was steht noch zur Auswahl? Bundeskanzler?“

Rangnick weiß, dass es Rangnick am besten kann

So weit wird es dann wohl doch nicht kommen – Geschick auf diplomatischer Ebene aber hat der Leipziger Oberbulle zuhauf. Oder wie hat der Sportvorstand Rangnick es sonst geschafft, den ehemaligen Coach Rangnick wieder für das Cheftraineramt zu begeistern? Rangnick wollte einem gesunden Umbruch am Ende wohl nicht im Weg stehen – weil Nagelsmann eben erst 2019 zu haben war, brauchte es einen, der nach einem Jahr wieder ohne Meckern den Hut nimmt. Ob der Sportvorstand Rangnick dem Trainer Rangnick dann vor dem letzten Heimspiel zum Dank einen großen Blumenstrauß übergibt – auch das ist eine spannende Frage vor dieser Saison.

Seine erste Bundesliga-Partie als alter und neuer Trainer von RB Leipzig führt übrigens an diesem Sonntag tief in den Westen, zu Borussia Dortmund. Dorthin also, wo vielleicht der größte Umbruch an der Ligaspitze zu beobachten ist.

Der BVB sehnt sich ja geradezu nach einer neuen Zeitrechnung – nach einem Trainer in der Vorsaison (dem Offensivfanatiker Peter Bosz), der vergaß, dass eine Fußballmannschaft auch Spieler braucht, die ihrem Torhüter im eigenen Strafraum während der 90 Minuten hin und wieder mal Gesellschaft leisten. Nach dem Bosz-Nachfolger Peter Stöger, der in der allgemeinen Notlage einen Beamtenfußball spielen ließ, gegen den die Dortmunder Polizei im Vergleich dazu beim wöchentlichen Betriebssport ein spielerisches Feuerwerk abbrannte.

Wurst, Käse oder beides? Vielleicht weiß es ja der Kehl

Jetzt ist Lucien Favre da – und damit einer, der Tag und Nacht tüftelt, wie seine Jungs die Lücken in der gegnerischen Abwehr finden können und die eigenen hinten drin schließen. Über Favre, den Grübler, ist die Geschichte überliefert, in der er mal im Supermarkt stand und sich nicht entscheiden konnte, ob er jetzt Käse oder Wurst oder beides oder nichts von beidem kaufen sollte.

So viel Akribie und Detailversessenheit, so die Eindrücke aus der Vorbereitung, scheinen den im Vorjahr eher planlos umherirrenden BVB-Profis gut zu tun. Damit es obendrein nach den Zeiten der Grüppchenbildung und der Spielerstreiks (Dembélé, Aubameyang) auch wieder in der Kabine stimmt, hat die Borussia einen echten Königstransfer getätigt. Sebastian Kehl war früher für die Ordnung in der Mittelfeldzentrale zuständig, jetzt macht er das gleiche, nur in der Kabine. Die BVB-Legende soll als Leiter der Lizenzspielerabteilung wieder Disziplin in den Laden bringen. Als Kehls Ordnungsadjutanten holte die Borussia zudem die Mittelfeldkämpfer Thomas Delaney und Axel Witsel. Die beiden tragen das Arbeitergen in sich – wie sie beim mühsamen Sieg in der ersten DFB-Pokalrunde in Fürth gezeigt haben. Klar wurde dort aber auch: Beim BVB gibt es noch viel zu tun. Trotzdem besteht berechtigte Hoffnung auf bessere Zeiten.

Sollte Niko Kovac im Laufe der Saison, vor allem was das Arbeitergen angeht, von München aus mal neidisch in Richtung Westen schauen, hätte der BVB in seinem Umbruchjahr einiges richtig gemacht. Vielleicht sogar so viel, dass es für den Umbruch an der Spitze reicht.