Hat den Dreh raus: Pep Guardiola, Trainer des FC Bayern München. Foto: Getty

Es gibt elf Spieler auf dem Feld - und einen, der nur danebensteht. Warum ist der Trainer eigentlich so wichtig? Dieser Frage geht Gunter Barner, Sportchef der Stuttgarter Nachrichten, in seiner Bundesliga-Kolumne nach.

Stuttgart - Weil Rituale zum Fußball gehören wie das Flutlicht zum Stadion, stellen sich die Größen der Liga immer mal wieder die Trainer-Frage. Vorzugsweise gegen Ende der Hinrunde, also kurz vor Weihnachten. Weshalb sich der frühere VfB-Geschäftsführer Ulrich Schäfer an Heiligabend nicht mehr ungestört seinen Stricksocken widmen konnte: „Nicht mal unterm Christbaum hab’ ich mehr mei Ruh’.“

Was die grundsätzliche Frage aufwirft, warum es eigentlich so wichtig ist, ob der Trainer Alex Zorniger oder Alex Ferguson heißt. Während des Spiels stehen die Trainer eh nur daneben. Und wenn sich so gar niemand mehr für sie interessiert, schreiben sie Zettel, die sie mit wichtiger Miene den Spielern reichen: „Kannst du deine Frau mal um das Rezept für den Schweinsbraten bitten? War köstlich!“ Endet das Spiel für den Trainer mit negativem Resultat, bestreitet er häufig jede Beteiligung an der Tat. Ja, soll ich mich jetzt noch selbst ins Tor reinstellen? Seit wann schießt der Trainer denn die Tore? Was kann ich denn dafür, wenn das Einzige, was sich heute im Spiel bewegt hat, die Eckfahne im Wind war?

Die Musik lehrt uns allerdings, dass erst durch das Orchestrieren der jeweiligen Klangkräfte unter Zuhilfenahme eines Dirigenten beispielsweise die Noten von Herrn Wagner ihren wahren Zauber entfalten. Oder wie die deutsche Eiskunstläuferin Aljona Sawtschenko so treffend formulierte: „Ein Trainer ist so wichtig wie der Pinsel beim Malen.“

Weltmeister Toni Kroos definierte neulich im Gespräch mit der „Zeit“ die wichtigsten Kriterien für einen guten Trainer deutlich nüchterner: „Erstens muss er eine klare Idee vom Fußball haben, eine Spielidee. Zweitens muss er in der Lage sein – besonders wenn er eine große Mannschaft trainiert –, die unterschiedlichen Charaktere so anzusprechen, dass sie seine Idee umsetzen und gleichzeitig ein gutes Klima herrscht. Und drittens: Er muss Erfolg haben.“

Die Software für Sieger ist noch nicht erfunden

Namhafte Sportsfreunde aus den Reihen des VfB Stuttgart werden nach empirischen Untersuchungen aus jüngerer Zeit bestätigen: Das hört sich einfacher an, als es ist. Es ist sicher kein Fehler, als Trainer ein Konzept zu haben, hilfreicher ist aber das Rezept, das den Gegner bezwingt. Sich mit dem Algorithmus seines Laptops dem Spiel zu nähern, ist nicht verboten, die Software für Sieger haben die Schlaumeier aus den Programmierstuben aber noch immer nicht erfunden.

Erfolg hat häufiger und andauernder derjenige Trainer, der möglichst viele der wesentlichen Kriterien nach Bedarf am sinnvollsten mischt: sportfachliches Wissen, taktisches Gespür, Neugier, Ehrgeiz, Instinkt, Intuition, Empathie, Kommunikationsfähigkeit sowie Erfahrung als Fußballer und Coach auf hohem Niveau. So betrachtet war Otto Rehhagel bis heute womöglich der Größte aller Fußball-Lehrer, was er ziemlich prosaisch so zusammenfasste: „Ich habe mehr gewonnen als verloren.“

Ausnahmen wie Ernst Happel bestätigen dagegen die Regel: Als Hansi Müller beim FC Tirol das Gespräch mit der österreichischen Trainer-Legende suchte, blickte sich der Grantler um und antwortete trocken: „Wann S’ reden wollen, müssen S’ Staubsaugervertreter werden, ich brauch nur Fußballer.“

Weltmeister Toni Kroos lobt Pep Guardiola

Felix Magath, der als Profi durch die harte Schule von Happel beim Hamburger SV gegangen war, weigerte sich beim VfB Stuttgart sechs Wochen lang, mit seinen Spielern zu reden. Sie hatten zu lasch gearbeitet. „Wie man trainiert“, knurrte Magath, „so spielt man.“ Am Ende bezwangen sie in einer legendären Partie im Gruppenspiel der Champions League Manchester United mit 2:1 – unter Coach Alex Ferguson.

Als Wochen später VfB-Abwehrchef Fernando Meira im Training fehlte, beschied Magath die besorgten Journalisten. „Doch, doch. Er war heute im Training.“ Wo denn? „Bei den Amateuren“, sagte der Coach. Warum das? „Wer spielt wie ein Amateur, kann auch so trainieren.“ Danach, berichteten Beobachter, war der zum Leichtsinn neigende Portugiese auf die Größe einer Streichholzschachtel zusammengeschnurrt.

„Der beste Trainer, den ich je hatte“, sagte Toni Kroos, „war Pep Guardiola. Von der Spielidee her, vom Plan, wie man Gegner bespielt und der eigenen Mannschaft Lösungen präsentiert.“ Und Jürgen Klinsmann? „Während seiner Zeit bei den Bayern habe ich persönlich alles vermisst. Eine Spielidee, angemessene Kommunikation und den Erfolg.“

Es passt eben nicht jeder Coach an jedem Ort zu jeder Zeit. Manchmal taugt auch die Mannschaft nichts, und bisweilen stimmt, was Giovanni Trapattoni für die Ewigkeit postulierte: „Ein Trainer ist nicht ein Idiot.“ Noch krasser drückte das Problem mit dem Personal John Toshack, Nationalcoach in Wales, aus: „Manchmal habe ich schon Bock, auch andere Spieler einzusetzen. Aber am Ende spielen doch immer wieder die gleichen Arschlöcher.“