Tschik Cajkovski (Zweiter von links), hier 1962 nach dem Gewinn der deutschen Meisterschaft mit dem 1. FC Köln, hat Gerd Müller entdeckt und den FC Bayern München in die Bundesliga geführt. Foto: dpa

Kino oder Fußball? Am Wochenende lief eher langweiliger Abnutzungsfußball, der auch noch ohne Tore auskommt. Das ist Bundesliga zum Abgewöhnen.

Stuttgart - Den vergangenen Freitagabend fand ich eher schwierig. Ich schaltete den Fernseher ein, denn ich wollte mal schauen, wie sich Mönchengladbach gegen Frankfurt so verkauft. Das war der Moment, an dem der Abend misslang. Denn bekanntlich ist Fußball deshalb die weltwichtigste Nebensache, weil man sich davon so wunderbar unterhalten lassen kann. Wenn man emotional halbwegs unbeteiligt ist. Ich bin emotional halbwegs unbeteiligt, zumindest wenn Gladbach und Frankfurt gegeneinander spielen. So ab der dreißigsten Minute aber habe ich die Unbeteiligtheit verloren, und zunehmend machte sich Aufregung breit.

Ich regte mich über das Spiel auf, und das lag daran, dass es langweiliger, unansehnlicher Abnutzungsfußball war. Fußball, bei dem beide Mannschaften sich durch endlose Lauferei den Ball abjagen wollten. Fußball, bei dem beide Mannschaften aber vor allem Fehler vermeiden wollten. Nach vierzig Minuten beschimpfte ich die Spieler lauthals. Nach sechzig Spielminuten merkte ich, dass ich nicht mehr hinschaute. Am Ende stand es 0:0, neunzig sehr, sehr langweilige Spielminuten waren vorbei. Fußball zum Abgewöhnen.

Kino statt Revierderby

Ich will mir Fußball aber nicht abgewöhnen. Und weil ich schon am Samstag wieder an das Gute und Schöne im Fußball glauben konnte, ließ ich den Fernseher wieder laufen. Fußball ist, wenn man trotzdem guckt. Und siehe da: Sie können noch kicken in Deutschland. Die Bayern ließen ihre Minikrise hinter sich, die Leipziger blieben an den Bayern dran, und Dortmund wollte die gelbe Wand glücklich machen.

Revierderby. Dortmund gegen Schalke. Das aber habe ich dann mit Absicht verpasst. Ich war mit der an dieser Stelle schon häufiger erwähnten Kampffeministin, die mich vor vielen Jahren dennoch geehelicht hat, im Kino verabredet. „Tschick“ – so hieß der Film. Ich hatte ein paar Jahre vorher schon das Buch gelesen. Wolfgang Herrndorf. Große, gelungene Jungmänner-Literatur. Bisschen macho. Und ohne jeden Fußball. Das Buch hatte ich in anderthalb Tagen durch. Jetzt aber stand zu befürchten, dass der Film nicht halten würde, was das Buch versprach. Und immerhin musste ich das Revierderby dafür opfern. Weil der Film nicht mehr so lange läuft in den Stuttgarter Kinos.

Kleines, dickes Müller

Kino oder Fußball. Tschick oder Cajkovski. Für alle, die das nicht mehr wissen: Tschik Cajkovski ist der Mann, der den FC Bayern München in die Bundesliga führte. Die Bayern waren mal ein ziemlich gewöhnlicher Verein, und dann kam dieser kleine Mann aus dem damaligen Jugoslawien und sorgte als Trainer für den Aufstieg von Beckenbauer und Co. Vorne schrieb er sich Tschik, ohne c, was so viel wie Stummel heißt und für seine geringe Körpergröße stand. Damals entdeckte er den besten Stürmer, den Deutschland je hatte, und beendete die Saison in der Regionalliga Süd vor dem SSV Reutlingen mit dem sagenhaften Torverhältnis von 146:32. Weil Cajkovski selbst sehr klein und sehr rund war, durfte er Gerd Müller auch „kleines, dickes Müller“ nennen. Das Müller. Statt Tormaschine oder etwas ähnlich Einfallslosem. Das Müller schaffte es einmal, vierzig Saisontore zu schießen. Heute undenkbar. Jedenfalls in Deutschland. In Spanien ist das besser. Dort haben sie das Ronaldo und das Messi.

In Dortmund dagegen hatten sie am Samstag nichts. Der Götze und der Schürrle blieben torlos. Das ganze Spiel blieb zu meiner Erleichterung torlos. Wie bei Mönchengladbach gegen Frankfurt hatte ich nichts verpasst. Aber ohne mich aufregen zu müssen. Die Entscheidung pro Kino war goldrichtig. „Tschick“, der Film, hielt alles, was man sich versprochen hatte. Auch dass er ein wenig zu sehr macho war. Und ohne jeden Fußball. Tschick gegen Cajkovski war ein klares 10:0. Mindestens.