Nie mehr Sauseschritt? Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt macht eine Vollbremsung Foto: dpa

Wegen Ex-Bayern-Doc Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt kaufen sich Millionen Rentner keine altersgerechte Wohnung. Jetzt ist er weg.

Stuttgart - Das wehende Haar. Die sonnengebräunte Haut. Der federnde Schritt. Für Millionen von deutschen Rentnern war Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt über Jahre hinweg das lebende Argument dafür, sich keine altersgerechte Wohnung zu kaufen. Aufzug? Breite Türen? Barrierefreies Bad? Mumpitz! Solange Müller-Wohlfahrt in dem Alter noch nicht mit dem Rollator über den Rasen rumpelt, gilt für alle eine Mobilitätsgarantie.

Dachte sich der realitätsferne Ruheständler – und ging mit dieser Einstellung seinen besorgten Nachkommen auf die Nerven. Müller-Wohlfahrt wird jetzt weniger oft im Fernsehen erscheinen, und das könnte zum sozialen Frieden in manchen deutschen Familien beitragen. Wenigstens etwas.

Das ist jedoch die einzige gute Nachricht, die uns dieser Tage aus der Hauptstadt des deutschen Fußballs erreicht. Ansonsten, so scheint’s, bietet der Machtkampf zwischen Pep Guardiola und seiner ehemaligen medizinischen Abteilung reichlich Stoff für einen bestsellerverdächtigen Arztroman. Ferndiagnose: Wer ein Denkmal demontiert, ist selbst bald pflegebedürftig.

Eine Nation beschäftigt also die Frage, warum sich der Fußballmeister und sein Leibarzt trennen. Und das sagt viel über die Nation aus, die offenbar denkt, dass Müller-Wohlfahrt im Ärzte-Himmel irgendwo zwischen Albert Schweitzer und Doktor Sauerbruch schwebt. Davon kann zwar nicht die Rede sein, aber dennoch ist der Doc aus München zurzeit wohl irgendwie der berühmteste Mediziner Deutschlands. Sein Schicksal beschäftigt die Leute, auch wenn ihm weder Arbeitslosigkeit noch sozialer Absturz drohen. Mit 72 Jahren hätte er sogar eine kleine Altersrente sicher.

Ob’s am Namen liegt? Müller wie Gerd Müller. Der Bomber der Nation. Und Wohlfahrt, was für einen Arzt doch ein wunderbar verheißungsvoller Name ist. Wie Eisenmann für einen Flaschner. Oder Heilig für einen Pfarrer. Mit Namen soll man keine Witze machen, aber Müller-Wohlfahrts Spitzname in Bayern-Kreisen ist „Mull“. Mull wie der Mull-Verband.

Vielleicht ist es die Erscheinung. Wenn Müller-Wohlfahrt wie frisch aus dem Jungbrunnen entstiegen über den grünen Rasen schwebt, stöhnt die Frauen-Welt verzückt. Und die Herren der Schöpfung winken verzweifelt ab – in dieser Form gibt’s mich nie wieder. Das Geheimnis dieser immerwährenden Jugend?

Mutmaßlich benutzt Müller-Wohlfahrt ein Koffein-Shampoo, für das er locker Werbung machen könnte („Doping für die Haare“). Vielleicht spritzt er sich selbst jene honighaltigen Substanzen in die Muskeln, die auch seine Fußballer immer geschmeidig halten sollten. Und womöglich ernährt er sich von den Nahrungsergänzungsmitteln, mit deren Vertrieb er sich ein paar Groschen dazuverdient.

Es ist vielleicht einfacher. Es ist die Rolle, die dieser Medicus im Münchner „Mia san mia“-Komödiantenstadel spielt. Ein Bayern-Profi, dessen Name sofort nach dieser Äußerung im Orkus der Fußballgeschichte verschwunden ist, hat Müller-Wohlfahrt am Samstag als „Ikone des FC Bayern“ bezeichnet. Nun wollen wir dem jungen Mann nicht unterstellen, dass er wüsste, was eine Ikone ist. Aber Müller-Wohlfahrt als Heiligenbild des FC Bayern zu bezeichnen kommt der Realität vielleicht doch bedrohlich nahe.

Trainer kamen und gingen, Stürmer trafen und wurden verkauft, Torhüter hielten und hielten – und machten am Ende doch einen lächerlichen Fehler. Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt war immer da.

Wie Uli Hoeneß und Franz Beckenbauer, die in ihrer Rolle als Groß-Ikonen für die Bayern bald heiliggesprochen werden. Ikönchen Karlheinz Rummenigge dürfte knapp an „Mull“ heranreichen. Was wohl die plausibelste Erklärung dafür ist, dass sich die neueste Verwerfung gerade zwischen diesen beiden Hilfsheiligen aufgetan hat.