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Es heißt, viele Fans des Fußball-Rekordmeisters FC Bayern würden die Münchner nur unterstützen, weil sie viele Partys feiern wollen. Doch das ist nur die halbe Wahrheit, als Bayern-Fan braucht man auch ein dickes Fell.

Stuttgart - Ich habe jetzt von jemandem, den ich sehr schätze, erfahren, dass er Bayern-Fan ist. Der Mann ist Stuttgarter und spricht ein astreines Schwäbisch. Ich fand das schwierig. Denn Bayern-Fan zu sein war meiner bisherigen Meinung nach immer ein Charaktertest mit negativem Ausgang. Ich habe das dann auch zu dem neuentdeckten Bayern-Fan gesagt – also etwa in folgender Weise: wer Bayern-Fan ist, der ist das doch nur, weil die immer Meister werden. Und dass das ja keine sonderliche Charakterstärke beweise – die zeige sich vielmehr, wenn man Vereinen anhänge, die häufig verlieren und absteigen.

Zum Beispiel bei Kaiserslautern-Fans: da muss man charakterlich schon was aushalten, wenn ein Verein dermaßen den Bach runtergeht. In der dritten Liga geht’s jetzt nach Zwickau und Magdeburg und Meppen, das ist ja nicht die große Fußballwelt und eigentlich nur von Menschen aushaltbar, die fest geerdet sind und von hoher psychischer Stabilität. Der Bayern-Fan, den ich dennoch sehr schätze, wusste mir überraschenderweise vom Gegenteil zu berichten: von Partys und anderen menschlichen Zusammenkünften, auf denen er sich nur selten oute. Und wenn, dass dann ein schöner Abend unter wohlwollenden Freunden sehr schnell zu einem anstrengenden Abend unter scharfzüngigen Gegnern werden könne. Als Bayern-Fan muss man also schon was aushalten, nämlich den Spott der vielen Nicht-Bayern-Fans. Mir schien das einleuchtend.

Auch die Fans des VfB Stuttgart können feiern

Hinzu kommt, dass bei anderen Vereinen in der Regel auch noch die besseren Feste gefeiert werden. Beim VfB Stuttgart etwa ist schon der Wiederaufstieg in die Bundesliga vor knapp zweieinhalb Jahren ein Riesenfest geworden. Mit Live-Liedgut von Fanta 4 und großartigen gesanglichen Höhepunkten heiserer Fans und heiserer Spieler. Geradezu legendär ist in Stuttgart sowieso das Meisterfest von 2007, als 250 000 Menschen bis in den Morgen ein so rauschendes wie friedliches Fest feierten. Da musste der Bayern-Fan aus Stuttgart zuschauen. Die Bayern, an öde Meisterfeiern vor dem Rathausbalkon gewöhnt, brauchen das Oktoberfest, wenn sie in München mal richtig lustig sein wollen. Und in Freiburg etwa wäre schon die Tabellenführung ein Grund zum Feiern gewesen. Was ja am Samstag beinahe passiert wäre. Aber um mal wieder diesen genial misslungenen Reim von Lothar Matthäus zu zitieren: „Wäre, wäre, Fahrradkette.“ Denn wäre der Kopfball von Petersen und der Schuss von Höfler im Spiel gegen Augsburg nicht an den Pfosten gegangen, dann hätte Freiburg für ein paar Stunden die Tabelle von oben betrachtet und das Schwarzwaldstadion wäre abgehoben.

Bayern-Fans stehen auch mal im Stau

Vor Jahren übrigens wurden die Freiburger tatsächlich mal Tabellenführer: am 12. August 2000. Man kann das im Internet noch anschauen: eine Tabelle, in der die Südbadener ganz vorne stehen. Direkt vor den Bayern. Es war der erste Spieltag und die Freiburger gewannen 4:0. Die Bayern gewannen damals auch, aber nur 4:1. Was diese bislang einmalige Tabellenführung der Freiburger zusätzlich versüßte: das 4:0 gelang ausgerechnet gegen den VfB Stuttgart. In Freiburg war das damals ein doppelter Feiertag. An dieser Stelle muss ich einfügen, dass ich geborenen Badener und naturalisierter Stuttgarter bin. Leider ohne astreines Schwäbisch. Als solcher beobachte ich staunend das mir unerklärliche südbadische Erregungspotenzial, wenn es um den VfB Stuttgart geht. Hier sehe ich übrigens den größten Charaktertest für den designierten DFB-Präsidenten Fritz Keller aus Freiburg: er muss dann neutral sein, auch gegenüber dem VfB. Und was den Stuttgarter Bayern-Fan angeht: Unter der Woche war er beim Abend-Spiel der Bayern gegen Belgrad. Auf dem Rückweg stand er in dunkler Nacht stundenlang auf der Autobahn im Stau. Ich finde, das ist Strafe genug.