Voll im Trend: Guardiola mit Dreitagebart und Trachtenoutfit Foto: Getty

Alles vorbei: Saisonende in der Bundesliga und der Eurovision Song Contest. Was man von Pop und Fußball ­noch alles lernen kann, verrät unser Kolumnist Joe Bauer.

Stuttgart - Es ist alles vorbei, und alles geht weiter. Huub Stevens ist nicht mehr da, er war aber, wenn ich es richtig mitgekriegt habe, schon weg, bevor er ging. Der VfB macht wie gewohnt dort weiter, wo er sowieso nie aufgehört hat. Eisern hält er an Fredi Bobic fest, egal, welche gestrigen Ego-Methoden der Manager pflegt. In dem Cannstatter Vorstadtclub herrscht ein vereinsmeierisches Traditionsbewusstsein, wie man es nicht  beim härtesten Karussellbremser auf dem benachbarten Wasen vermutet.

Die Erstliga-Saison 2013/14 ist im Nachhinein schwer zu beurteilen, es interessiert sich ohnehin kein Schwein mehr dafür. In vier Wochen beginnt die WM in Brasilien, und ob wirklich alles rechtzeitig anfängt, ist noch gar nicht sicher. Im WM-Land gibt es Baupannen mit Zeitverzögerungen, wie wir sie in Deutschland zum Glück nicht kennen. Um die Fertigstellung seines bescheidenen Quartiers zu garantieren, erwägt der DFB, führende Köpfe des Berliner Flughafens, der Hamburger Elbphilharmonie und von Stuttgart 21 an den Zuckerhut zu senden. Man hört auch, das Klima zwischen Brasiliens Regierung und der ehrenwerten Fifa-Gesellschaft sei vergiftet, und diese Nachricht trifft uns so überraschend wie die atmosphärische Störung beim FSV Mainz 05.

In der Karnevalshochburg irritiert ausgerechnet ein Trainer die Leute, der im Grunde alles hat, was einen zeitgenössischen Sieger ausmacht. Er trägt Bart, und zwar im Gesicht. Außer Sepp Guardiola und Conchita Wurst haben sich das seit Barbarossa und Paul Breitner nur wenige Männer vor großem Publikum getraut. So wundert es nicht, wenn der Mainzer Trainer Thomas Tuchel von seiner Nobody-Rolle in Rheinland-Pfalz den Schnauzer voll hat. Zwar ist er mit seinem Team in einen Europokal-Wettbewerb eingezogen, allerdings in einen, der bei uns weniger Aufmerksamkeit erregt als ein Fracking-Pups des schwäbischen EU-Kommissars Günther Oettinger in Brüssel. Die Europa League ist ja eher geschaffen für Clubs wie den VfL Wolfsburg, den auch in der nationalen Liga keiner sehen will.

Wenn wir schon dabei sind. Der HSV geht mit einem in Hannover gescheiterten Trainer namens Slomka in die Relegation, und man versinkt in tiefe Trauer bei dem Gedanken, dass den HSV einst Ernst Happel und Branko Zebec, die heiligen Legenden des Unrasiertseins, trainierten.

Fußball ist dennoch eine schöne, eine völkerverbindende Sache, wenn man sieht, wie sich der Spanier Guardiola in bayerische Lederhosen zwängt, als wäre er ein Stuttgarter Bierzelt-Milchbart, während der Brasilianer Dani Alves beim FC Barcelona in aller Ruhe die ihm von einem Vollidioten zugeworfene Banane verspeist.

Bei allem Misstrauen gegen die Mega-Events: Von Pop und Fußball kann man lernen, wie die Politik der Massen im Netz funktioniert. Das große Votum für Österreichs bärtige Diva Conchita Wurst alias Thomas Neuwirth beim Eurovision Song Contest in Kopenhagen war im Grunde eine ähnliche Demonstration gegen den menschenverachtenden Umgang mit Minderheiten wie die antirassistische Solidarität mit Dani Alves. Da spielt es keine Rolle, ob Alves’ Aktion von Marketing-Typen geplant war. Es ist im Übrigen eine Binsenweisheit, dass Pop seit jeher die Geschlechterrollen neu definiert, ob mit Marlene Dietrichs Hosenanzügen, David Bowies androgynen Schock-Kostümen oder Conchita Wursts Transenlook.

Trotz aller Verirrungen spiegeln Pop und Fußball immer auch ein Leben, wie es sein könnte. Nach ihrem letzten Auftritt gegen den mit Geld überschwemmten Plörre-Club RB Leipzig entrollten die Spieler der Stuttgarter Kickers ein Transparent für die Fans: „Gemeinsam vom Tabellenkeller in den DFB-Pokal. Danke“. Na bitte.