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Die Anwälte der höheren Erkenntnis und die Bundesliga – oder: Wie man’s macht, man macht’s verkehrt.

Stuttgart - Immer dann, wenn gegen Ende einer Spielzeit das Auf und Ab des Fußballs nach ultimativer Erklärungen verlangt, drängen vermehrt die Kritiker und Experten ins Zentrum des Spiels. Häufig gerüstet mit der Vita des früh verrenteten Fußballprofis, der – natürlich hoch talentiert und glühend vor Leidenschaft – immerfort bereit war, für den Vereins seines Herzens sein Leben zu geben. Trainer, nach zig Anläufen mit dem Versuch gescheitert, unfallfrei eine Mannschaft durch mehr als eine Saison zu führen, liefern Taktik- und Psychoanalysen mit der Selbstgewissheit des Orakels von Delphi. Und Sportjournalisten, die ihren Reden nach schon dabei waren, als die Teams noch mit der Postkutsche zu Auswärtsspielen fuhren, bündeln ihre Erfahrung in der Weisheit, dass sie immer schon wussten, wonach sie niemand gefragt hat.

Argumente wie Wendejacken

Das alles belebt zwar das Geschäft, trägt aber wenig bei zur Erhellung einer Branche, in der die Argumente der Kritiker seit jeher so vielseitig verwendbar sind wie die Wendejacken der Stadionbesucher.

Ein Coach etwa, der dem Spiel seiner Mannschaft eine erkennbare Handschrift gibt, der ruhigen Blutes an der Seitenlinie sein Ensemble dirigiert, die Grundordnung nicht alle Nase lang wechselt und Spieler nicht gleich auf die Bank setzt, wenn sie im Formtief stecken, gilt als Könner mit der Aura des Souveränen – solange sein Team gewinnt.

Immer das gleiche Spiel

Nach drei Spieltagen ohne Sieg dagegen zweifeln die Ersten an der angeblich entschlüsselten Spielidee, sie vermissen Leidenschaft und Intensität, die der Coach ja auch nicht vorlebe, sie verlangen einen taktischen Plan B und sie fragen mit skeptischen Mienen, warum dieser oder jener Profi noch immer auf der Bank versauert. Nimmt der Misserfolg kein Ende, feuert der Club den Trainer. Die Kritiker sind zufrieden. Das Spiel beginnt von vorn.

Der Abo-Meister FC Bayern zum Beispiel stand nach Meinung der Kritiker mit zeitweise neun Punkten Rückstand auf die hippen Dortmunder Borussen am Ende einer Ära mit sechs Meistertiteln in Folge. Unzureichend gesteuert von einem im Umgang mit Stars ungeübten Trainer Niko Kovac, das Team überaltert, zerstritten die Clubführung um Karheinz Rummenigge und Uli Hoeneß. Inzwischen attestieren die Anwälte der höheren Erkenntnis den Bayern die Gnade der Routine, den unauslöschbaren Willen zum Erfolg, eine Clubführung, die sich zusammenrauft und einen Trainer, der vielleicht doch mehr kann als nur Eintracht Frankfurt. Die Schwarz-Gelben aus Westfalen hingegen müssen sich seit der 0:5-Pleite im Spitzenspiel und dem wahrscheinlichen Verlust der Meisterschaft fragen lassen, ob sie nicht doch zu grün sind hinter den Ohren, und ob Lucien Favre vielleicht ein guter, aber kein sehr guter Trainer ist.

Den Videobeweis, den die Sittenwächter der Liga stets als letzte Instanz der Gerechtigkeit forderten, kritisieren sie jetzt als zu langatmig. Entscheiden die Hilfsschiedsrichter an den Bildschirmen dagegen schnell, vermissen die Berufs-Bruddler gelegentlich die Gründlichkeit.

Nach dem dürren Auftritt bei der Fußball-Weltmeisterschaft ging den Profi-Nörglern der Umbau der Nationalelf nicht schnell genug. Als Joachim Löw dann dem Bayern-Trio Jérôme Boatang, Mats Hummels und Thomas Müller die Ausmusterung persönlich überbrachte, passte den einen der Zeitpunkt nicht, die anderen monierten den Stil.

Wie man’s macht, man macht’s verkehrt

Wie man’s macht, man macht’s verkehrt. Oder wie Berti Vogts einst klagte: „Wenn ich über Wasser laufe, sagen die Kritiker: Nicht mal schwimmen kann er.“