Ein gutes Gefühl: nach zwei Jahren ging es am Wochenende erstmals wieder in einem Heimspiel um Bundesliga-Punkte. Foto: Günter Bergmann

Die Coronakrise hat der Sportart Lacrosse schwer zugesetzt. Einige Traditionsteams haben sich sogar aus der Bundesliga zurückgezogen – nicht jedoch der ABV Stuttgart.

Degerloch - Ganz so lange wie bei Dornröschen aus dem Grimm’schen Märchen hat es dann doch nicht gedauert, aber immerhin fast zwei Jahre lang hat sich die Sportart Lacrosse in Deutschland zuletzt in einem Tiefschlaf befunden. Die Coronakrise brachte den Wettkampfbetrieb für 22 Monate komplett zum Erliegen. Die Männermannschaft des in Degerloch ansässigen ABV Stuttgart, die seit 20 Jahren in der höchsten deutschen Klasse unterwegs ist, hatte im November 2019 ihr bis dato letztes Punktspiel bestritten, ehe sie sich seinerzeit in die Winterpause verabschiedete. Gefolgt sind das Aus für die Rückrunde, die Play-Off-Begegnungen sowie die gesamte Spielzeit 2020/21. Umso größer die Freude und die Erleichterung auf der Waldau, dass inzwischen endlich wieder etwas geht.

Teilweise „gewaltigen Rost angesetzt“

Ende September hat die neue Saison begonnen in dem Spiel, das einst von den nordamerikanischen Ureinwohnern entwickelt wurde und das Elemente unter anderem aus dem Feld- und Eishockey beinhaltet. „Wir sind eine Randsportart ganz am Rande aller Randsportarten und hatten dadurch nicht die Lobby und die Möglichkeiten, über die andere verfügen“, sagt Alexander Frey, der Kapitän der Männer und Trainer der U-21-Frauen beim Verein unter dem Fernsehturm. Trainiert wurde beim ABV Stuttgart 14 Monate lang nur zuhause vor dem Bildschirm, mit Hilfe von Kameraanweisungen der Coaches beziehungsweise in Kleinstgruppen mit zwei oder drei Sportlern. „Als wir dann im Mai erstmals wieder ein Mannschaftstraining absolvieren durften, hatten einige doch gewaltigen Rost angesetzt, aber wir haben uns gefreut, uns endlich real wiederzusehen und unserem Sport nachgehen zu können“, sagt der 32-jährige Frey, der mehrfach Torschützenkönig in der ersten Bundesliga und auch Nationalspieler war.

Glück für die Degerlocher: schwerere personelle Verluste hatten sie während der Pandemie bislang nicht zu verzeichnen. Es blieb bei der gewöhnlichen Fluktuation. Beteiligt sind viele Studentinnen und Studenten, die es beim Einstieg ins Berufsleben dann schon mal in andere Himmelsrichtungen verschlägt. Bei den Frauen reagierte man auf einen Engpass damit, dass die bislang eigenständige zweite Mannschaft seit Saisonbeginn eine Spielgemeinschaft mit Nürnberg in der zweiten Liga bildet. Die „Erste“ im weiblichen Bereich spielt ebenso wie die Männer erstklassig.

Bei anderen Vereinen größere Schäden

Andernorts richtete die Viruskrise größere Schäden an. Ein Opfer wurden die Traditionsmannschaften aus Würzburg und Düsseldorf, die ihre Teams mangels Spielern aus dem Oberhaus zurückgezogen haben und nun mit Kooperationspartnern nur noch auf regionaler Ebene spielen. „Wir selbst hatten zuvor jedes Jahr drei bis vier Spieler aus dem Vaihinger Unisport, die bei uns hängengeblieben sind. Da sind uns zuletzt zwei komplette Jahrgänge verloren gegangen“, sagt Frey, dessen Verein allerdings im Moment noch immer 40 aktive Männer im Bundesligateam und in der Landesliga Baden-Württemberg an den Start bringt. Vollzogen hat der ABV Stuttgart in den vergangenen Jahren einen Generationswechsel.

Die ersten beiden Auswärtspartien haben die Degerlocher, ihres Zeichens deutsche Meister von 2013, in Freiburg (7:4) und in Erlangen (9:5) gewonnen. Im ersten Heimspiel seit zwei Jahren gab es nun am Samstag gegen das „Überteam“ der Südgruppe, den viermaligen nationalen Champion HLC Rot-Weiß München, eine 4:9-Niederlage. „Unser Ziel ist ein Platz unter den ersten drei in der Vorrunde und damit der Einzug in die Play-Off-Spiele“, sagt Frey. In jenen ermitteln dann insgesamt acht Qualifikanten aus den drei Regionalgruppen die vier Teilnehmer an der Bundesliga-Endrunde, die vermutlich im Juni stattfinden wird.

„Das sportliche Abschneiden ist für unsere Mannschaften aber zweitrangig. Wichtig ist allein, dass wir wieder spielen können“, sagt Frey, dessen Sportart ganz ohne Hilfe eines Prinzen aus dem Dornröschenschlaf geholt wurde. Weiter geht es für die ABV-Männer am 21. November in Tübingen und am 27. November zuhause gegen Karlsruhe.