HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann sieht Potenzial bei den Süd-Clubs. Foto: Baumann

Die am 10. Januar beginnende Handball-WM wirft ihre Schatten voraus. Frank Bohmann erhofft sich als HBL-Chef einen Schub für die Bundesliga: „Eine bessere Gelegenheit, sportlich was Großes zu leisten, gibt es nicht.“

Stuttgart - Die am 10. Januar in Berlin beginnende Handball-WM wirft ihre Schatten voraus. Frank Bohmann erhofft sich als HBL-Chef einen Schub für die Bundesliga: „Eine bessere Gelegenheit, sportlich was Großes zu leisten, gibt es nicht“, sagt er im Interview auf die mögliche Außendarstellung angesprochen.

Herr Bohmann, wir hatten vor kurzem in unserer Zeitung ein Stück zur Frauen-Handball-EM unter dem Titel „Mit der Kraft des Südens“ bezogen auf die Dominanz der württembergischen Clubs. Wie sieht es damit bei den Männern aus?

Das kommt drauf an, wie weit rauf man den Süden definiert. Der Süden ist bei uns lange Jahre in der Ausbildung das Mekka der Bundesligaspieler gewesen. Nachdem wir das Jugendzertifikat vor über zehn Jahren eingeführt haben, hat sich das ein bisschen geändert. Seither haben sich weitere Schwerpunkte, beispielsweise in Berlin und Leipzig, gebildet. Aber nach wie vor liegt im Süden ein großer Schwerpunkt unserer Ausbildung der Leistungshandballer. Und wenn wir einen Blick auf die Bundesligisten werfen, spielen die Rhein-Neckar Löwen seit vielen Jahren an der Spitze mit, zusätzlich haben wir eine Reihe aufstrebender Clubs. Ich bin da mit der Entwicklung sehr zufrieden. Aber den Süden als das Zentrum des deutschen Handballs zu sehen, wäre dann doch zu viel gesagt.

Mit dem Allstar-Spiel am 1. Februar ist die HBL nach Stuttgart gegangen, obwohl man solche Spiele eigentlich an Standorten ohne einen Bundesligisten austragen wollte.

Das stimmt, in diesem Jahr haben wir allerdings mit der Heim-WM eine Sondersituation. Da wollten wir gerne an einem Medienstandort präsent sein. Und da gibt es gar nicht so viele, wo wir eine Arena vorfinden, die groß genug und außerdem nicht belegt ist. In dieser Hinsicht sind wir in Stuttgart bestens aufgehoben, zudem wir hier sehr gute Erfahrungen gemacht und ein äußerst fachkundiges Publikum haben.

Hier spielt normalerweise der TVB. Der hat seit dem Aufstieg in die Bundesliga auch den Namen Stuttgart offiziell aufgenommen. Wie wichtig war das?

Langfristig ist es die richtige Entscheidung. Als TV Bittenfeld wäre es aus meiner Sicht ungleich schwerer geworden, sich zu behaupten. Obgleich eine derartige strategische Entscheidung richtig ist, kann es für einen traditionell verwurzelten Verein ein Stückchen identitätsraubend sein. Hier ist einiges an Geschick und Sensibilität gefragt, um die Fans mitzunehmen. Für die HBL ist ein Mix aus Metropolen, kleineren Städten und dem ländlichen Raum gewollt. Hier bedeutet die Wandlung zum TVB Stuttgart einen echten Mehrwert für die Bundesliga.

Kommen Hamburg und München?

Wie wichtig wäre es – nicht nur – aber mehr Großstädte in der Bundesliga zu haben?

Ein, zwei zusätzliche Großstädte wären für die Bundesliga wirklich wichtig. Für Hamburg sehe ich gute Chancen und München als Standort eines ambitionierten Handballclubs wäre sehr wünschenswert. Land und Region verfügen über Potenzial, leider gibt es bisher keinen Club, der sich entsprechend organisiert hat. Aber auch hier wird sich möglicherweise etwas bewegen – als Liga werden wir allerdings nichts erzwingen. Wir tun gut daran, unsere Neutralität zu wahren.

Wir haben hier in der Region noch die SG BBM Bietigheim, die droht zur Fahrstuhlmannschaft zu werden. Warum tun sich Aufsteiger so schwer?

Der Verein muss jetzt den zweiten Wachstumsschritt machen. Bietigheim spielt ja einen attraktiven Handball, trägt aber auch ein bisschen das schwere Los des Aufsteigers, der knappe Spiele eben mal eher verliert als gewinnt. Um hier entgegenwirken zu können, sollte der Etat nach Möglichkeit aufgestockt werden. Von derzeit um etwa zwei Millionen auf drei Millionen Euro. Auch mit dem jetzigen Etat kann der Klassenerhalt gelingen, ein solcher Erfolg erfordert allerdings eine große Kraftanstrengung und ist nicht unbedingt von Dauer.

Stichwort Etat: Hat die HBL auch Pläne, für ihre Vereine einen Mindestetat wie im Basketball (drei Millionen Euro, Anm. d. Red.) einzuführen?

Ganz klar nein.

Frisch Auf wächst zu langsam

Frisch Auf Göppingen ist ein Traditionsverein, der zuletzt aber stagniert. Warum?

Frisch Auf wächst langsam, die Liga insgesamt wächst stärker. Der Verein wächst also nicht stark genug mit, um die Konkurrenzfähigkeit von vor drei oder vier Jahren aufrecht zu erhalten. Hier sind neue Initiativen erforderlich – aber so viel ich weiß, geht man das bereits mit dem nötigen Sachverstand an.

Sie sprechen vom Wachstum der Liga, wie sehen die Eckdaten aus?

Wir kommen diese Saison auf einen geplanten Umsatz von 107 Millionen Euro, nach zuletzt 102 Millionen, vor drei Jahren waren wir bei 90 – vor 15 Jahren bei 40 Millionen. Es geht also kontinuierlich weiter, diesem Prozess muss man sich stellen.

Wo steckt denn noch Potenzial, bei den Zuschauerzahlen wohl eher nicht.

Bei den Zuschauern wird es in der Tat eng werden, viele Hallen sind bereits an der Kapazitätsgrenze. Da werden zehn Prozent mehr Zuschauer nicht den nächsten Wachstumsschritt ermöglichen. Den macht man über das Sponsoring, worüber sich die Clubs zu zwei Dritteln finanzieren. Auf diesem Gebiet gibt es noch Potenziale, so müssen die digitalen Sponsorings viel stärker von den Clubs berücksichtigt werden, um die zu nutzen. Ich bin überzeugt, dass dies die meisten Clubs im Blick haben.

Die Vereine wiederum beklagen die Spieltage am Donnerstag und Sonntag. Welche Hoffnung besteht auf eine Änderung?

Hier müssen wir zwei wesentliche Eckpfeiler im Blick haben. Zum einen natürlich die Veranstaltung vor Ort, zum anderen aber auch die Medienzeiten, also Handball auf dem Bildschirm. Ich sage nicht, dass der Donnerstag und Sonntag in Beton gegossen sind. Gerade mit Blick auf die veränderten Anspielzeiten in den europäischen Wettbewerben von 2020/21 an werden wir nochmal sehr sorgfältig darüber nachdenken müssen. Ab dann findet die Handball-Bundesliga ja am Wochenende statt, das könnte bedeuten, dass sich hier wieder etwas ändert. Das werden wir in Ruhe und im Dialog mit unserem Medienpartner Sky besprechen, mit dem uns ein sehr guter Vertrag bis zur Saison 2023/24 verbindet.

Liga-Reduzierung nicht machbar

Und droht die immer mal wieder angesprochene Reduzierung der Liga in diesem Zusammenhang?

„Sport-Bild“ hat dazu vor einigen Wochen eine Umfrage bei allen Erstligisten gemacht und titelte anschließend mit „18:0 dagegen“. Eine Reduzierung wird in absehbarer Zeit nicht durchsetzbar sein.

Braucht die Liga denn mehr Spieler wie Johannes Bitter und Michael Kraus, die beim TVB Stuttgart immer noch fast alle Medienanfragen auf sich vereinen. Fehlen solche Typen im Handball?

Bitter und Kraus sind deshalb Typen, mit denen wir Aufmerksamkeit und Reichweite erzielen, weil sie beide seit fast 15 Jahren erfolgreich dabei und gereift sind. Ein echter Schub wäre es, wenn wir bei der bevorstehenden Heim-WM ein herausragendes Ergebnis erreichen würden. Auf dem WM-Titel von 2007 fußt auch die Bekanntheit von Spielerpersönlichkeiten wie Bitter und Kraus. Erfolg macht frei und erzeugt dann auch Typen. Ich denke ,dass wir auch jetzt schon Typen haben, die aber erst richtig interessant für die Öffentlichkeit werden, wenn sie mit der Nationalmannschaft sportlich Großes leisten.

Die Heim-WM wäre eine Gelegenheit?

Eine bessere gibt es nicht. Aber so ein Erfolg ist nicht planbar. Da muss man einfach auch Respekt vor der Spielstärke der anderen Nationen haben. Es liegt im Bereich des Möglichen, aber es ist auch möglich nur Achter zu werden, weil die anderen eben auch guten Handball spielen.