Uraufführung in Esslingen: Szene aus „Verklärte Nacht“ Foto: Leonard Higi

Sie sind immer in Bewegung, viel unterwegs und in allen Stilen zu Hause: Das Bundesjugendballett gibt jeweils acht Tänzern für zwei Jahre die Gelegenheit, künstlerisch und menschlich zu reifen. Nun waren die jungen Tänzer mit einer Uraufführung zu Gast in der Kirche St. Dionys.

John Neumeier ist der Intendant des Bundesjugendballetts; choreografieren sollen aber möglichst viele Künstler für die Nachwuchstänzer. So zeigten die Gäste aus Hamburg am Donnerstag und Freitag im Zusammenspiel mit den Musikern des Podium-Festivals in Esslingen zwei sehr unterschiedliche Abende: „Angel Path“, zu sehen in der Württembergischen Landesbühne, setzte sich in mehreren Stücken mit Krieg und Frieden auseinander. „Verklärte Nacht / Ruhe – Rausch – Traum“ führte Tänzer und Musiker in die Stadtkirche St. Dionys. Parallel zur beginnenden Dämmerung blickten sie romantisch gestimmt auf die Nacht mit ihren freudvollen und dunklen Aspekten.

„Die Nacht kommt“ heißt der erste Teil; zum feinen Vibrieren der Harfen- und Geigensaiten zieht zu Sebastian Curriers „Night Time“ Abendstimmung ein. Auch die Bewegungen der Tänzer wirken besinnlich: Sie schreiten durch die Kirchenschiffe, beugen sehnsuchtsvoll langsam Körper und Arme. Die Musiker sitzen mitten in der Kirche, wandeln manchmal aber ebenfalls durch den Raum. Neben Klängen von Currier untermalen Francis Poulencs „Sonate für zwei Klarinetten“ und Jean Francaix’ „Quintett Nr. 2“ die Dämmerung; zuletzt ertönt „Die Nacht“ von Richard Strauß, und die Kirche erstrahlt in tiefem Blau.

Der rastlose Rausch steht im Zentrum des zweiten Teils: Ausschnitte aus dem „Streichquartett Nr. 2“ von Philip Glass schaffen die Übergänge; dann wummern auf einmal elektronische Beats durch die Kirche. Die Beleuchtung setzt die gotische Architektur mit Discolicht in Szene. Außerdem präsentiert Peter Schleicher die irrlichternde, aufwühlende Improvisation „Rausch“. Zu Marshall McDaniels Elektroklängen erscheinen wieder die Tänzer, schlittern, drehen rasante Pirouetten, mischen abrupte Jazz-Dance-Bewegungen in ihre Darbietung.

Höhepunkt ist im dritten Teil die Uraufführung von Maša Kolars „Verklärte Nacht“ zu Schönbergs gleichnamiger Komposition. Ihr steht ein Gedicht über eine Frau voran, die dem Liebsten gesteht, dass sie das Kind eines anderen in sich trägt. Überraschenderweise verzeiht er ihr und nimmt das Kind als seines an. Kolar beschränkt sich nicht auf einen leidenschaftlich Pas de deux, sondern bringt alle acht Tänzer in Duos zur Geltung. So löst sie den Anspruch des Ensembles ein, das ein Team ohne Hierarchien sein will.