Andreas Dombret rät Staaten, den Aufschwung zu nutzen. Foto: dpa

Der Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret warnt trotz der guten Weltkonjunktur vor Selbstzufriedenheit. Er kritisiert, dass einige Eurostaaten in ihren Sparbemühungen nachlassen. Sie sollten den Aufschwung und die Niedrigzinsphase zum Schuldenabbau nutzen.

Berlin - Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret sieht in einigen Eurostaaten nachlassende Sparbemühungen.

Herr Dombret, die Weltwirtschaft boomt. Können wir die Folgen der Finanzkrise von 2008 abhaken?
Es ist erfreulich, dass es der Weltwirtschaft wieder besser geht. Besonders positiv stimmt mich, dass die Wirtschaft der Eurozone mittlerweile in vielen Regionen und Bereichen wächst. Aber überwunden sind die Folgen der Finanzkrise damit noch nicht. In einigen Ländern der Eurozone liegt die Arbeitslosigkeit nach wie vor über dem Stand vor der Krise. Und auch der europäische Bankensektor kämpft noch mit den Spätfolgen. Die hohen Bestände notleidender Kredite in einigen Ländern der Eurozone sind teils noch eine Folge der Finanzkrise. Es bleiben also große Herausforderungen und keine Zeit, sich auszuruhen. Der wirtschaftliche Aufschwung ist dabei aber hilfreich.
Die Forschungsinstitute haben die Wachstumsprognosen für Deutschland angehoben. Besteht die Gefahr einer Überhitzung?
Die aktuelle Wirtschaftslage ist gut, und die Stimmungsindikatoren signalisieren, dass der Aufschwung anhalten wird. Anzeichen einer Überhitzung sehen wir derzeit nicht. Die gute Konjunktur sollte uns aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass vor Deutschland längerfristig betrachtet schwierige Aufgaben liegen. Ich denke hier an die sich abzeichnenden demografischen Belastungen, an die Auswirkungen der Digitalisierung und die Bewältigung der Energiewende.
Die öffentliche und private Verschuldung ist in vielen Ländern nach wie vor hoch. Verlassen sich Staaten und Verbraucher zu stark auf die Niedrigzinspolitik?
Der Abbau der privaten Verschuldung kommt in Europa voran, aber das braucht natürlich Zeit. Bei der Konsolidierung ihrer Staatshaushalte haben viele Finanzminister der Eurostaaten in den vergangenen Jahren eher nachgelassen. Sie sollten die günstige Konjunktur und die derzeit niedrigen Zinsen nutzen, um die Schuldenquote ihrer Länder stärker zu senken und so die Staatsfinanzen solider aufzustellen.
Nicht nur in USA wird der Ruf laut, die Finanzmarktregulierung zu lockern. Behindern die nach der Finanzkrise von 2008 mehrfach verschärften Regeln die Kreditvergabe der Banken?
Es sind vor allem Bankenvertreter, die befürchten, zu strenge Regeln könnten die Kreditvergabe beeinträchtigen. Bestätigen lässt sich dies allerdings nicht. Insgesamt wurden in den vergangenen Jahren in der Eurozone mehr Kredite vergeben. Bei nicht finanziellen Unternehmen etwa lag die Wachstumsrate der Kredite im August im Vergleich zum Vorjahr bei 2,5 Prozent. In unseren eigenen Befragungen bei deutschen Kreditinstituten zu den Kreditvergabestandards können wir auch keine klare Veränderung erkennen. Wir sollten die Finanzmarkt-Regulierung nicht zum Gegner eines funktionstüchtigen und leistungsfähigen Finanzsystems machen. Ganz im Gegenteil: Die Reformen infolge der Finanzkrise zielen darauf ab, Schwächen des Systems zu bekämpfen, die langfristig sehr teuer werden können.