Detlef Scheele ist in seiner Karriere mehrfach zwischen Politik und Wirtschaft hin und her gewechselt. Der Arbeitsmarkt hat bei jedem Engagement eine Rolle gespielt. Foto: dpa

Seit einem Jahr sitzt der Hamburger Sozialpolitiker Detlef Scheele im Vorstand der Bundesagentur für Arbeit. Nun hat ihn der Verwaltungsrat als Nachfolger für BA-Chef Frank-Jürgen Weise nominiert. Die Bundesregierung muss den Vorschlag noch absegnen.

Stuttgart - In kleiner Runde haben Frank-Jürgen Weiseund Raimund Becker ihren neuen Vorstandskollegen Detlef Scheele im September vergangenen Jahres in Lauf an der Pegnitz begrüßt und in seine neuen Aufgaben eingeführt. In der mittelfränkischen Kleinstadt östlich von Nürnberg sitzt, idyllisch am Wald gelegen, die Führungsakademie der Bundesagentur für Arbeit (BA). Wer in der Bundesbehörde Karriere macht, ist regelmäßig hier zu Gast. Was Scheele bei diesem Treffen nicht mitgeteilt wurde, formulierte BA-Chef Weise kurz darauf bei dessen erstem öffentlichen Auftritt zur Vorlage der Arbeitslosenstatistik wie folgt: „Herr Alt (Scheeles Vorgänger, a. d. Red.) war immer derjenige, der in die Zukunft gesehen hat. Wir haben dem neuen Kollegen noch nicht gesagt, dass er die Rolle auch übernehmen muss.“ Scheele entgegnete: „Ich bin kein Seher.“ Ob er damals wohl schon geahnt oder erwartet hat, Weise an der Spitze der Behörde abzulösen.

Im Umfeld der BA wurde Scheele von Anfang an als möglicher Nachfolger des Vorstandsvorsitzenden gehandelt. Der 60-Jährige gilt zudem als Wunschkandidat von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD). Somit dürfte die Zustimmung der Bundesregierung für den am Freitag vom BA-Verwaltungsrat vorgeschlagenen neuen Vorstandschef nur eine Formalie sein.

Scheele ist ein enger Vertrauter von Olaf Scholz

Der gebürtige Hamburger ist ein ausgewiesener Arbeitsmarktexperte. Er hat zwischen 1995 und 2008 eine Beschäftigungsgesellschaft in seiner Heimatstadt geleitet. Von 2008 bis 2009 war er Staatssekretär Bundesarbeitsministerium unter Minister Olaf Scholz. Als die SPD das Ministerium nach der Bundestagswahl an die CDU abgeben musste, gab auch Scheele seinen Posten ab. Zwei Jahre später holte der gerade zum Ersten Bürgermeister der Hansestadt Hamburg gewählte Scholz den Vertrauten zurück an seine Seite. Der verheiratete Vater von drei Töchtern wurde Senator und war zuständig für das neu zugeschnittene Ministerium für Arbeit, Soziales, Familie und Integration.

Als zentrale Aufgabe bei der Bundesagentur betrachtet er die Neuorganisation der Berufsberatung: „Wir wollen der verlässliche Begleiter von Eltern und Kindern auf dem Weg von der Schule in den Beruf sein“, sagt Scheele, der nach seinem Studium der Politik-, Sport- und Erziehungswissenschaften mehrere Jahre Geschäftsführer eines Zentrums für Berufsqualifizierung war. Unter seiner Regie hatte Hamburg 2012 als erstes Bundesland die sogenannten Jugend-Berufsagenturen eingeführt. Sie fungieren als Schnittstelle zwischen Behörden, Ämtern und Hilfeeinrichtungen und sollen den Übergang von der Schule in den Beruf erleichtern. Mittlerweile gibt es bundesweit 220 solche Einrichtungen.

Unter Weise wurde die Nürnberger Behörde umgebaut

Scheeles Vorgänger Weise geht Ende März nach 13 Jahren als BA-Chef in den Ruhestand. Unter ihm wurde die einstiege Bundesanstalt modernisiert und zur Personalvermittlungsagentur umgebaut. Bei der Führung einer Mammutbehörde mit mehr als 100 000 Mitarbeitern kamen dem Bundeswehroffizier und Manager die Erfahrungen aus früheren Stationen zugute. Weise studierte bei der Bundeswehr, ließ sich dort zum Fallschirmjäger ausbilden, war Kompanieführer und hat heute den Dienstgrad eines Oberst der Reserve inne. Der frühere Zivildienstleistende Scheele dürfte durch seine langjährige Tätigkeit in der Politik und der SPD, der er seit 1980 angehört, kaum weniger sturmerprobt sein.

In den kommenden fünf Amtsjahren Scheeles dürfte die Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen zur größte Herausforderung für die Arbeitsagenturen und Jobcenter werden. Am Erfolg oder Misserfolg muss sich der neue Chef messen lassen. Der Hobbyläufer warnte bereits vor übersteigerten Erwartungen und mahnt angesichts der Erkenntnisse der Arbeitsmarktforscher einen langen Atem an: Wenn es gut laufe, würden im ersten Jahr nach ihrer Einreise zehn Prozent eine Arbeit finden, nach fünf Jahren sei es die Hälfte, nach 15 Jahren seien es 70 Prozent.

In seiner letzten Bürgerschaftsdebatte platzte Scheele der Kragen

Scheele scheint ein Gespür dafür zu haben, die Flüchtlinge nicht nur als Zahlen in der Arbeitslosenstatistik zu sehen, sondern auch die Schicksale und Biografien der Menschen ernst zu nehmen. Davon zeugt ein emotionaler Ausbruch am Ende seiner Zeit als Hamburger Sozialsenator. Während einer Bürgerschaftsdebatte platzte ihm der Kragen: „Machen Sie die Augen auf, Himmel, Arsch und Zwirn!“, herrschte der Sozialdemokrat einen AfD-Abgeordneten an, der zuvor mit kruden Thesen zur Flüchtlingsfrage den Unmut der anderen Fraktionen auf sich gezogen hatte. Wenn der Gescholtene Berichte aus den Kriegs- und Elendsgebieten verfolgen würde, dann wüsste er, warum die Menschen zu uns kommen, so Scheele.

Bei allen Anstrengungen um die Integration der Flüchtlinge sollen einheimische Langzeitarbeitslose nicht zu kurz kommen, daher hält Scheele nichts von Sonderprogrammen. Einheimische Arbeitslose und Flüchtlinge ohne Arbeit säßen in einem Boot. Jeder habe eine zweite und dritte Chance verdient. „Ich kann das sagen, weil ich selbst erst mit 21 über den zweiten Bildungsweg das Abitur nachgeholt habe“, sagte er in einem früheren Interview.