Flüchtlinge aus der Ukraine werden in Stuttgart informiert. Foto: LICHTGUT/Max Kovalenko

Die Landesregierung begrüßt die Bund-Länder-Einigung über die Flüchtlingskosten, sieht aber noch Unsicherheiten. Flüchtlinge aus der Ukraine dürfen sofort arbeiten.

Die Beschlüsse von Bund und Ländern zur Versorgung von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine haben in Baden-Württemberg ein überwiegend positives Echo ausgelöst – wenngleich Fragezeichen geblieben sind. „Es ist erst mal ein gutes Signal, dass sich der Bund zu seiner finanziellen Mitverantwortung für die Kosten bekannt hat“, sagte Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Freitag. „Die Einigung ist ein wichtiger Schritt, allerdings haben wir noch viele Unsicherheiten.“ Niemand könne heute sagen, wie viele Geflüchtete aus der Ukraine noch kommen und wie lange sie bleiben. Deshalb könne die Vereinbarung nur vorläufig sein und werde im Herbst überprüft. Ein wichtiger Baustein sei, dass der Bund sich dauerhaft und schon vom 1. Januar 2022 an rückwirkend an den aufgelaufenen und noch entstehenden Kosten für Versorgung und Integration der Flüchtlinge beteiligen werde.

Schulterschluss von Bund, Ländern und Städten

„Wir brauchen langfristig einen engen Schulterschluss in der Verantwortungsgemeinschaft von Bund, Ländern und Kommunen“, sagte Kretschmann. Deshalb habe das Land auch den Kommunalen Landesverbänden zugesagt, dass es die Sozialleistungen von privat untergebrachten ukrainischen Kriegsflüchtlingen tragen werde.

Leistung wie bei Hartz-4

Der Kern der Beschlüsse besteht darin, dass die Ukraine-Flüchtlinge nicht nach dem Asylbewerberleistungsgesetz versorgt werden, sondern ebenso wie anerkannte Asylbewerber die etwas höhere Grundsicherung erhalten – also in etwa die gleichen Leistungen wie Hartz-4-Empfänger. Auch sollen sie sofort arbeiten dürfen und über die Jobcenter der Agentur für Arbeit rasch in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden. Für diese Lösung hatten sich die Städte und Gemeinden stark gemacht, da nicht sie, sondern der Bund die Grundsicherung bezahlt.

Eine Finanzlücke könnte es geben

Von einem „Systemwechsel“ bei den Sozialleistungen sprach deshalb der Präsident des baden-württembergischen Landkreistages, Joachim Walter. „Unsere Kommunen dürfen durch den Wechsel finanziell nicht schlechter gestellt werden als bisher“, sagte er. Das Land müsse „alle fluchtbedingten Kosten tragen“, die es etwa bei der Unterbringung und der Gesundheits- und Pflegeversorgung bislang übernommen habe. Eine Lücke könnte etwa bei Pflegekosten für nicht erwerbsfähige oder behinderte Flüchtlinge geben, die auf die Kommunen zukommen, könnten, wenn das Land nicht einspringt.

Ähnlich äußerte sich Steffen Jäger vom Städte- und Gemeindetag: Die Neuerung sei für die Kommunen „nicht zwangsläufig eine Verbesserung“, zumal der Systemwechsel mitten in der Krise passiere und mehr Bürokratie auslöse. Aber insgesamt seien die Ansätze „gut und richtig“.

Auch fürs Impfen sorgt der Bund

Auch Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte darauf hingewiesen, dass mit der Entscheidung für die Grundsicherung nicht alle finanziellen Belastungen für Länder und Kommunen abgegolten seien. Bei den Unterbringungskosten wird mit einer Übernahme von 75 Prozent gerechnet. Insgesamt will der Bund für 2020 den Ländern und Kommunen 500 Millionen für die Unterkunftskosten überweisen. Weitere 500 Millionen sollen an die Länder für bereits entstandene Kosten für die Lebenshaltung der Flüchtlinge fließen und eine Milliarde Euro für die Beschulung, Kinderbetreuung sowie Gesundheits- und Pflegekosten. Ein Extrapunkt ist die Corona-Impfung der Flüchtlinge: Hier will der Bund die Impfzentren und mobilen Impfteam in den Ländern bis zum Jahresende je zur Hälfte finanzieren, was noch einmal 100 Millionen Euro im Monat kosten wird.

Die Jobcenter sind bereit

Unterdessen bereiten sich die bundesweit 408 Jobcenter auf die Erstgespräche mit den Ukrainern vor. „Unsere Jobcenter haben Erfahrung mit der Betreuung von geflüchteten Menschen. Sie sind jetzt dabei, sich auf die kommende Situation vorzubereiten“, sagte eine Sprechern der Bundesagentur für Arbeit. Ob man mehr Personal brauche, sei noch nicht abschätzbar ebenso wenig wie die Mehrarbeit: „Das hängt sicher vom Verlauf des Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine ab.“

Bei der Beratung in ukrainischer Sprache sehen die Jobcenter kein Problem. Denn fürs Übersetzen wird ein Stufenplan angewandt: Ausländische Kunden und Kundinnen der Jobcenter werden zunächst gebeten, einen Deutsch sprechenden Landsmann mitzubringen. Gelingt das nicht, werden die Fremdsprache sprechende Mitarbeiter der Behörde eingesetzt oder es wird bei Sozialverbänden oder ehrenamtlichen Einrichtungen angefragt. Bleibt das ohne Erfolg, werden externe Dolmetscher eingesetzt. Die Städte Pforzheim und Stuttgart haben kommunale Jobcenter, auch bei ihnen ist die Stimmung entspannt: „Unsere Mitarbeitenden der Abteilung Migration und Teilhabe sind für die Aufgabe bestens vorbereitet und qualifiziert“, so Sven Matis von der Stadt Stuttgart. Viele von ihnen sprächen Ukrainisch oder Russisch.