Der Biontech-Impfstoff wird nur noch in knapp begrenzten Mengen an die Ärzte ausgeliefert. Das wird zu Unmut unter den Patienten führen. Foto: dpa/Otero

Die Lieferung von Biontech-Impfstoff an Hausärzte wird gedeckelt auf 30 Dosen pro Woche. Booster-Impfungen sollen mit Moderna erfolgen. Die Tübinger Ärztin Lisa Federle sagt: „Der Bund bremst damit das Impfen aus.“

Stuttgart - Der Bund wird ab Ende November den Impfstoff Biontech kontingentieren. Hausärzte werden dann nur noch 30 Impfdosen pro Woche erhalten – und das in Zeiten, wo das Impfen erheblich an Fahrt aufnehmen sollte und in den Praxen bisher fast ausschließlich Biontech gespritzt wurde. Laut Bundesgesundheitsministerium soll für die Boosterimpfungen verstärkt Moderna eingesetzt werden, das aktuell in unbegrenzter Menge vorrätig sei. Der Grund für die Kontingentierung ist offenbar der drohende Verfall des eingelagerten Moderna-Impfstoffes ab Mitte Februar.

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Die Empörung über die Biontech-Deckelung ist groß. Die Mitteilung des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) treffe die Ärzte völlig überraschend und unvorbereitet, sagt Andreas Gassen, der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). „Gerade jetzt, wo die Praxen ihre Kapazitäten wieder deutlich hochfahren und für die nächste Woche fast fünf Millionen Impfstoffdosen geordert haben, wird die Impfkampagne empfindlich gestört.“

KV-Sprecher: Das führe zur Verunsicherung der Patienten

Man rechne mit einem erhöhten Beratungs- und auch Aufklärungsbedarf in den Praxen, da viele Patienten im Rahmen ihrer Grundimmunisierung Biontech erhalten hätten und nun als Auffrischung Moderna bekommen sollen, sagt Gassen. Beide Impfstoffe seien nach vorliegenden Studiendaten und laut Ständiger Impfkommission (STIKO) gleichwertig, die Umstellung werde jedoch wertvolle Zeit binden, die für das Impfen dann fehle.

Irritiert vom Gebaren des Bundes ist Kai Sonntag, der Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg. „Das trägt zur Verunsicherung der Patienten bei, wo es doch schon so viel Verunsicherung in der Gesellschaft gibt.“ Erwartbar sei der Unmut in den Praxen. „Die Ärzte sollten nicht diskutieren müssen, sondern impfen“, sagt Sonntag, die Kontingentierung habe ihn überrascht. Bisher sei nie die Rede davon gewesen, dass Biontech bald nicht mehr geliefert werde, alles Signale seien in eine andere Richtung gegangen. „Ob womöglich nicht genügend Biontech bestellt wurde“, fragt sich Sonntag.

Die Pandemiebeauftragte Lisa Federle ist sauer

Es sei genug Impfstoff für alle da, versichert unterdessen das Bundesgesundheitsministerium und legt Zahlen vor. Bis zum Jahresende verfügt der Bund über 24,3 Millionen Dosen des Biontech-Impfstoffes, davon sind drei Millionen bereits ausgeliefert worden. Bei Moderna beläuft sich die Zahl bis zum Jahresende auf 26,08 Millionen Dosen. Beide Impfstoffe seien „sicher, wirksam und gut für Auffrischungen geeignet“.

Von einem „unglaublichen Skandal“ spricht die Tübinger Pandemiebeauftragte Lisa Federle und erhält reihenweise Mails von Hausärzten, die fassungslos sind angesichts der vorgeschriebenen Umstellung auf Moderna. „Die niedergelassenen Ärzte werden in ihrer Arbeit sabotiert“, kritisiert Federle „ der Bund bremst uns mitten in der vierten Welle aus.“ Es könne nicht sein, dass die Patienten nun mühevoll davon überzeugt werden müssen, einen anderen mRNA-Impfstoff zu akzeptieren als den, den sie schon erhalten haben. Und das alles womöglich nur, um in Berlin Kosten zu sparen. „Ich habe nichts gegen Moderna“, sagt Federle, aber wegen des drohenden Verfalls des Impfstoffes „darf man doch jetzt nicht die Ärzte und Patienten ausbaden lassen, was in Berlin falsch gemacht wurde“.

Sie habe oft alle Mühe, jemanden von einer Impfung zu überzeugen, sagt die Ärztin. „Die Menschen brauchen Vertrauen in einen Impfstoff, aber das Vertrauen ist eine sehr zarte Pflanze.“ Hoffentlich bessere der Bund bei seinen Vorräten noch nach. „Die müssen dringend mehr Biontech beschaffen.“