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Der Plan der Landesregierung, den Spielraum für die Schuldenaufnahme massiv zu erhöhen, stößt auf scharfe Kritik beim Bund der Steuerzahler.

Stuttgart - Die Zahlen sind erschreckend. Vor zehn Jahren hatte das Land 33,4 Milliarden Euro Schulden. Nun, im Jahr 2012, sind es zehn Milliarden Euro mehr. Wem das als Zahl nicht reicht, der muss nur die Homepage des baden-württembergischen Bundes der Steuerzahler anklicken. Dort steht schwarz auf weiß eine weitere Zahl, die alarmiert: Die Pro-Kopf-Verschuldung im Land beträgt derzeit satte 4212 Euro. Nach den Plänen der grün-roten Landesregierung könnten in den nächsten Jahren noch ein paar Euro hinzukommen. 

Denn das Ministerium von Wirtschafts- und Finanzminister Nils Schmid (SPD) hat einen brisanten Gesetzentwurf erarbeitet, der nächsten Dienstag im Kabinett eingebracht wird. Demnach will sich Grün-Rot den Spielraum für die Schuldenaufnahme bis zum Jahr 2019 massiv erhöhen – von bisher geplanten 6,6 Milliarden Euro neuen Schulden auf nunmehr 8,8 Milliarden Euro. Ab dem Jahr 2020 muss dann ohnehin Schluss sein mit neuen Krediten. Die sogenannte Schuldenbremse schreibt vor, dass die Länder dann keine neuen Kredite mehr aufnehmen dürfen.

Zwar betonte ein Sprecher von Schmid am Donnerstag, man nehme das Thema Sparen nach wie vor „sehr ernst“, liege derzeit bereits unter der ursprünglich geplanten Schuldenaufnahme. Und im Übrigen werde man den neuen Korridor „nicht ausschöpfen“, die geplante Erhöhung des Kreditrahmens sei nur eine Vorsichtsmaßnahme, um sich gegen eine Verschärfung in der europäischen Staatsschuldenkrise zu wappnen. Doch der Schritt bleibt heikel. Erst vor wenigen Tagen hatte die Landesregierung ihren Entwurf für den Landeshaushalt 2013/2014 vorgelegt. Dabei war deutlich geworden, dass die Sparanstrengungen eher dürftig sind und Grün-Rot deshalb in beiden Jahren – trotz sprudelnder Steuereinnahmen – mit neuen Schulden von rund 3,3 Milliarden Euro plant.

Bund der Steuerzahler spricht von finanzpolitischem Offenbarungseid

Kein Wunder, dass die Reaktionen auf die geplante Krediterweiterung am Donnerstag vernichtend ausfielen. „Was die Landesregierung hier macht, ist angesichts der gewaltigen Steuereinnahmen ein finanzpolitischer Offenbarungseid“, sagte Wilfried Krahwinkel, Landeschef beim Bund der Steuerzahler, unserer Zeitung. Grün-Rot versuche, sich auf diesem Weg „die Hintertür offen zu halten, um noch mehr Schulden zu machen“. Krahwinkel beklagte in diesem Zusammenhang den bisher mangelnden Spareifer des Kretschmann-Kabinetts: „Diese Regierung hat vor allem die Ausgaben erhöht, aber viel zu wenig gespart.“ Es sei „ein verheerendes Signal“, dass andere Bundesländer mit dem Abbau der Schulden vorankommen, Baden-Württemberg aber in den nächsten beiden Jahren über drei Milliarden Euro neue Schulden plane und sich mit dem Schritt des Finanzministers nun weitere Kredite für die folgenden Jahre rechtlich absichern wolle.

Auch die Landtags-Opposition schüttelte fassungslos den Kopf. „Die Landesregierung benimmt sich immer dreister, als sie es bisher schon tut: Zuerst kommt sie trotz Rekord-Steuereinnahmen nicht ohne neue Schulden aus. Dann scheitert sie an den selbst gesetzten Einsparzielen, und jetzt will Grün-Rot auch noch die Grenze zur Aufnahme weiterer Schulden um 2,2 Milliarden Euro ausweiten. Dies ist für die FDP-Landtagsfraktion nicht akzeptabel“, sagte deren Vorsitzender Hans-Ulrich Rülke. Während andere Bundesländer ihre Schulden abbauen, mache sich Grün-Rot in Baden-Württemberg „zur Umsetzung ihrer Klientelpolitik den Staat zur Beute“.

Im Finanzministerium fährt man nun zweigleisig

Ähnlich äußerte sich die FDP-Landesvorsitzende Birgit Homburger am Donnerstag: „Andere steigen auf, Baden-Württemberg steigt ab.“ Ministerpräsident Kretschmann tue alles dafür, „die Voraussetzungen dafür zu schaffen, Baden-Württemberg zum Nehmerland zu machen, damit sich die Klage gegen den Länderfinanzausgleich erledigt“, meinte Homburger giftig zu der Thematik, dass Grün-Rot seit langem zögert, ob es mit Bayern vor dem Bundesverfassungsgericht gegen den Länderfinanzausgleich klagt oder nicht.

Im Finanzministerium fährt man nun zweigleisig. Nächsten Dienstag soll das grün-rote Kabinett den Kreditrahmen erhöhen, die Zustimmung im Landtag durch die Regierungsfraktionen gilt dann nur als Formsache. Parallel dazu will Finanzminister Schmid offenbar um die Zustimmung der Opposition buhlen. Er hegt den Plan, die Schuldenbremse ab dem Jahr 2020 nicht nur wie bisher in der Landeshaushaltsordnung, sondern in der Landesverfassung zu verankern. Die Folge wäre, dass im Fall eines Verstoßes – also einer Schuldenaufnahme nach 2020 – die Opposition vor dem Staatsgerichtshof dagegen klagen könnte. Zudem will der Minister dem Landtag offenbar ein Konzept vorlegen, wie das aktuelle strukturelle Defizit von 2,5 Milliarden Euro im Landeshaushalt in den nächsten Jahren abgebaut werden kann. Zur Erinnerung: Im geplanten Doppelhaushalt 2013/2014 spart Grün-Rot von diesem gewaltigen Defizit gerade mal 800 Millionen Euro.

Für eine Änderung der Landesverfassung bräuchte Grün-Rot aber eine Zweidrittelmehrheit – sprich die Unterstützung der Opposition. Doch die CDU sagte am Donnerstag angesichts der neuen Entwicklung umgehend Nein. „Ein Schuldenabbaupfad bis 2020, wie derzeit von Grün-Rot geplant, ist mit uns nicht zu machen“, macht Landtagsfraktionschef Peter Hauk klar.