Der Bund der Steuerzahler wendet sich gegen eine Haushaltspolitik mit milliardenschweren Kreditbewilligungen auf Vorrat. Die parlamentarische Kontrolle der Exekutive werde „unterminiert“, kritisiert ein renommierter Gutachter.
Hat das Land Baden-Württemberg in den vergangenen drei Jahren zwar die in der Verfassung verankerte Schuldenbremse formal eingehalten, de facto aber gegen die Ziele der Schuldenbremse verstoßen? Zu diesem Resultat kommt ein vom Bund der Steuerzahler Baden-Württemberg in Auftrag gegebenes Gutachten. Anlass zur Kritik geben überhöhte Kreditbewilligungen, um die künftige Haushaltsführung zu erleichtern.
Nettokreditaufnahme von 14,6 Milliarden Euro in zwei Jahren
Das Gutachten wurde erstellt unter Federführung des Finanzwissenschaftlers Bernd Raffelhüschen von der Uni Freiburg. Demnach hat das Land infolge der Pandemie die Notfallklausel der Schuldenbremse genutzt, um 2020 und 2021 zusätzliche Verschuldungsrechte von 8,1 Milliarden Euro aufzunehmen. Hinzu kamen Kreditermächtigungen im Rahmen der sogenannten Konjunkturkomponente, die sich auf 6,5 Milliarden Euro beliefen. Zum Ende 2021 habe die im Landeshaushalt ausgewiesene Verschuldung inklusive Sondervermögen einen historischen Höchststand von 67,8 Milliarden Euro erreicht. Tatsächlich seien die Schulden nicht zur Gänze am Kreditmarkt aufgenommen worden, weshalb der Gutachter der Regierung eine fortgesetzte Finanzpolitik des Geldhortens vorwirft. Alles in allem beziffere sich die aufgeschobene Kreditaufnahme Ende 2022 auf 23,6 Milliarden Euro.
„Auf eine weitere Schuldenaufnahme verzichten“
„Die Schuldenbremse hat in den drei schwierigen Haushaltsjahren für ausreichend Spielraum gesorgt“, sagte Eike Möller, der Vorsitzende des Steuerzahlerbunds. Es gebe eigentlich keinen Grund, wie derzeit vielfach diskutiert, das Instrument generell infrage zu stellen. Vielmehr sei Baden-Württemberg „überfinanziert“ – „die Schuldenaufnahme war höher als notwendig und diente der Rücklagenbildung“.
Nun sollte auf die weitere Schuldenaufnahme verzichtet werden beziehungsweise die hohen Verschuldungsrechte sollten nicht voll ausgenutzt werden – Schulden gebe es nicht umsonst, so Möller mit Blick auf den Zinsanstieg. Nicht aufgenommene Schulden könnten gestrichen werden. „Man muss halt das Risiko mindern, dass die finanziellen Lasten immer größer werden“, warnt er vor einer „Renaissance der Schuldenpolitik, forciert durch die Krisen dieser Welt“.
„Politiker geben immer alles Geld aus“
Raffelhüschen moniert, dass „Politiker eigentlich immer alles Geld ausgeben, das sie zur Verfügung haben – und meistens mehr“. Durch die Haushaltspolitik der Landesregierung werde aber das Prinzip der parlamentarischen Kontrolle der Exekutive in der Durchführung des Haushaltsplans „schlichtweg unterminiert“. Deshalb wäre es „vernünftig, die bewilligten, aber noch nicht gezogenen Kredite tatsächlich aus den Haushaltsansätzen herauszunehmen“.
Wenn die Budgetgrundsätze nicht mehr eingehalten würden, „dann haben wir diverse Schlupflöcher, um die Schuldenbremse zu unterlaufen – und Schlupflöcher sind nicht gut“, mahnt der Finanzfachmann. Die Klarheit der zeitlichen Zuordnung von Kreditaufnahmen sei ein vernünftiges Prinzip. „So war die Schuldenbremse auch gemeint.“