Im Gewerbegebiet Mittlerer Pfad in Weilimdorf stehen zunehmend Bürogebäude leer. Das Land prüft hier eine Flüchtlingsaufnahme. Foto: Konstantin Schwarz

Wo drückt der Schuh? Bei der ersten Bürgerversammlung nach 15 Jahren sind der Büroleerstand im Gewerbegebiet und dessen Folgen die bestimmenden Themen.

Rund 32.000 Menschen leben im Stadtbezirk Weilimdorf. 480 davon füllten die Lindenbachhalle zur Einwohnerversammlung bis auf den letzten Platz. In der Regel reicht das Spektrum der Fragerunde für die Verwaltungsriege auf dem Podium von globalen Themen bis zu den kleinsten Wehwehchen im Bezirk. In Weilimdorf fokussierte sich das Publikum am Montagabend vor allem auf zwei Problempunkte.

 

Leerstand wächst

Seitdem das Justiz- und Migrationsministerium unter Leitung von Marion Gentges (CDU) Stuttgart als Standort einer Landeserstaufnahmeeinrichtung (Lea) für Flüchtlinge in den Blick nimmt, „geht die Angst um“, so eine Bürgerin in der Fragerunde. Geprüft werden vom Land bereits länger oder absehbar leer stehende Bürohäuser im Gewerbegebiet Mittlerer Pfad. Für einen Komplex (Hausnummern 13-15) in der Nähe des Nahverkehrshalts wurde eine Bauvoranfrage gestellt. Käme die Lea, dann, so die Bürgerin, „ist die S-Bahn wohl nicht mehr nutzbar“. Es gebe „vermehrt Wohnungseinbrüche im Umfeld von Leas“, wurde bei einer weiteren Wortmeldung behauptet, und gefragt, ob man künftig Spielplätze beleuchten könne. „Ich sehe meine Sicherheit durch die Lea gefährdet“, sagte eine Frau; ein Weilimdorfer prophezeite weitere Kündigungen von Mietern im Gebiet „wenn die Lea kommt“. Dann drohten „erhebliche Steuerausfälle“. Eine Einwohnerin warf der Verwaltung eine Mitschuld an der Entwicklung vor. Wären Gewerbegebiete nicht sakrosankt und der Umbau von Büros in Wohnraum erlaubt, „wäre eine Lea vielleicht kein Thema“.

Land erinnert an Verpflichtung

OB Frank Nopper (CDU), der mit allen sieben Fachbürgermeistern beim Pflichttermin Rede und Antwort stand, hatte das Thema in seiner Tour d’Horizon in der Begrüßung gesetzt. Er halte Stuttgart als nicht geeignet für eine Lea, sagte Nopper unter Beifall, der Gemeinderat habe aber mit 31 zu 29 Stimmen gegen ihn gestimmt. Die Entscheidungshoheit liege jedoch ausschließlich beim Land. Das hatte Katja Grimm vom Justizministerium (Referat Erstaufnahme) und Markus Rothfuß vom Regierungspräsidium Karlsruhe (Steuerung Erstaufnahme) nach Weilimdorf entsandt.

Weder zu Wohnungseinbrüchen noch zu vermehrten Störungen im Nahverkehr durch eine nahe Flüchtlingsunterkunft lägen konkrete Daten oder „viel Erfahrungen“ vor, so Rothfuß. Natürlich gebe es Möglichkeiten, „die subjektive Sicherheit zu erhöhen“, zum Beispiel durch bessere Beleuchtung von Wegen. Sicherheitsmaßnahmen wolle man wie an anderen Standorten gemeinsam mit der Stadt abstimmen. Das Land sei dazu verpflichtet, Flüchtlinge aufzunehmen, erinnerte Rothfuß an die Gesetzeslage, man brauche 6000 weitere Plätze. In Weilimdorf würden es „nicht mehr als 2000, von denen wir maximal 80 Prozent belegen“, so der Fachmann – das wären 1600. Man wolle nicht nur „möglichst geringe Zahlen“, so Nopper, sondern auch eine Befristung. Darauf gingen Rothfuß und Grimm nicht ein – das Justizministerium hatte bereits erklärt, dass eine Befristung nicht beabsichtigt sei.

Entlastung nach Belastung versprochen

Kommt die Lea, kann deren Flüchtlingszahl im Verlauf mehrerer Jahre auf die sonstige Unterbringung in Stuttgart angerechnet werden. Dann werde man die größte Unterkunft der Stadt in Weilimdorf mit 700 Plätzen (Holderäckerstraße) auflösen, so Nopper. Der Betrieb der 2015 eröffneten Unterkunft Steinröhre (243 Plätze) im Stadtteil Hausen sei nochmals bis 31. Juli 2027 verlängert worden, so Sozialbürgermeisterin Alexandra Sußmann (Grüne). Den stärksten Beifall zum Flüchtlingsthema erhielt nach mehr als zweit Stunden Debatte eine Bürgerin, die nicht vor der Lea warnte, sondern appellierte, „nicht in jedem Geflüchteten einen potenziellen Kriminellen zu sehen“.

Sportzentrum dauert

Zweites Großthema für die Weilimdorfer ist die Entwicklung des Areals der ehemaligen Gärtnerei Walz. Die Machbarkeitsstudie für ein Sportzentrum samt Lehrschwimmbecken, Bürgerhaus mit Räumen für die Volkshochschule und Musikschule soll zum Jahresende vorliegen, darauf könnte ein neuer Bebauungsplan folgen. Nopper dämpfte die Erwartungen auf eine schnelle Umsetzung der Wünsche. Noch seien nicht alle Grundstücke im Besitz der Stadt, ein B-Plan brauche bisher fünf Jahre, und die Finanzlage sei „schwieriger geworden, was viele Projekte verzögen dürfte“.