Thomas Schmid, Susanne Domschitz, Rajko Zschiegner, Rainer Haug (v. l.) Foto: Bernklau

Der Bürgerverein Pragsattel versucht, die Lebensqualität im Quartier direkt neben dem tosenden Verkehrsknoten zu schützen.

S-Nord - Dort, wo sich einst zwei bedeutende Römerstraßen kreuzten, ist immer noch jede Menge los. Der Pragsattel gilt als einer der verkehrsreichsten Knotenpunkte Deutschlands. Um die Interessen einer kleinen, ruhigen Siedlung direkt nebenan zu vertreten, hat sich 1985 der Bürgerverein Pragsattel gebildet, als im Blick auf die Internationale Gartenausstellung IGA 1993 dort oben nicht nur das Grün, sondern auch die Verkehrsführung neu geordnet werden sollte. Geordnet wird noch immer - und immer wieder.

Auf dem Areal am Schnittpunkt zwischen den Bezirken Nord, Bad Cannstatt und Feuerbach steht eines der bekanntesten Gebäude Stuttgarts: der einstige Hochbunker, besser bekannt als Bosch-Turm. Er hätte durch ein anderes Wahrzeichen übertrumpft werden sollen, den 180 Meter hohen Trump-Tower. Doch der Stuttgarter Gemeinderat stoppte 2003 die Pläne für das höchste Büro- und Hotelhochhaus Süddeutschlands.

Von der Bahn hören die Bewohner kaum etwas

Aber das Thema Hochhaus ist damit noch keineswegs vorbei für die rund 400 Nachbarn in der beschaulichen Pragsattel-Siedlung gleich nebenan und hinter dem 1987 vom Bürgerverein erkämpften Lärmschutzwall. Auf dem schon zu Feuerbach gehörenden Industrie-Gelände zwischen Theaterhaus und Stresemannstraße sind vier Türme von freilich deutlich geringerer Höhe als der Trump-Tower im Gespräch, die gleichfalls Lichteinfall und Luftschneisen für die Anwohner von Dornbuschweg, Hildebrandstraße, Im Götzen, Stresemannstraße sowie Unterer Dornbusch beeinträchtigen könnten.

Im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts waren die rund 60 Häuser als geschlossene Muschelsiedlung neben dem Leibfriedschen Villa- und Gartengelände entstanden, das heute zum „grünen U“ der Stuttgarter Parks zwischen Schlossgarten und Killesberg gehört. Am Hangfuß begrenzt die Bahnstrecke von Nordwesten her nach Stuttgart hinein die Siedlung. Von der Bahn hören die Bewohner übrigens kaum etwas. Der Autoverkehr hingegen war spätestens seit 1927 ein Problem, mit dem Durchstich der Heilbronner Straße als spätere B 27. Auch die Stresemannstraße wurde schon mit der damaligen Messe auf dem Killesberg eine viel befahrene Achse.

Luftverschmutzung und Lärm sind erträglich geblieben

In seinen ersten Jahren hat der Bürgerverein viel Geld – „rund 30 000 Mark“, erinnert sich der Vorsitzende Rainer Haug – für Anwälte ausgegeben. Aber er habe auch etwas erreicht. Die Luftverschmutzung und der Lärm seien so erträglich geblieben, dass die Wohnqualität in zentrumsnaher Lage und doch naturnah sehr hoch geblieben sei. „Hier sagen sich tatsächlich Fuchs und Hase gute Nacht“, sagt die Stellvertreterin Susanne Domschitz. Inzwischen gelte es, „zu erhalten, was wir erkämpft haben“, sagt der Vize Thomas Schmid.

Mittlerweile sind die Nachbarschaftspflege und gegenseitige Hilfe in den Mittelpunkt der Vereinsarbeit gerückt. Einmal im Monat trifft man sich mittwochs zum stets gut besuchten Stammtisch im Theaterhaus. „Während der Vorstellungen, da ist Platz genug“, so Susanne Domschitz. Am 8. September gibt es im Domschitz’schen Garten das traditionelle Sommerfest.

Probleme und Handlungsbedarf gibt es trotzdem noch. Der Perkins Park bringt Parkverkehr mit sich und eine Menge junge Disco-Besucher, die in den Grünanlagen „vorglühen“ und auf dem Rückweg zur U-Bahn nicht nur Lärm machen, sondern manches Unappetitliche selbst in den Gärten hinterlassen. Auch Einbrüche hatten sich zeitweise gehäuft. Trotzdem wohnen alle „sehr gern“ am Pragsattel.