Das Mühlrad haben Schüler und ihre Jobpaten restauriert. Foto: factum/Granville

Die Ditzinger Bürgerstiftung hat seit Kurzem einen neuen Vorsitzenden. Herbert Hoffmann sieht die Stiftung im Wandel.

Ditzingen - Wir leben in einer Zeit, in der Gegensätze deutlich sichtbar werden, sagt Herbert Hoffmann. Er beobachtet bei den Bürgern eine Skepsis gegenüber großen, etablierten Organisationen und setzt darauf, dass sie sich in der Stiftung engagieren. Themen gibt es viele – allein: es fehlt das Geld. Davon lässt sich Hoffmann aber nicht beirren. Die Stiftung müsse eben neue Wege beschreiten.

Herr Hoffmann, dieser Tage wird viel über die Macht des Populismus geredet. Sie sind promovierter Historiker, wir könnten uns auch darüber unterhalten.
Populismus ist aber nicht die einzige Richtung, in die sich die Gesellschaft entwickelt. Es gibt auch das ernsthafte Bemühen um Lösungen. Wir leben in einer Zeit, in der die Gegensätze deutlich sichtbar werden. Das ist nicht prinzipiell schlecht. Es ist nur schlecht, wenn sich Seiten durchsetzen, die irrational sind. Aber letztendlich hat auch das Engagement für die Bürgerstiftung etwas Irrationales. Es muss auch aus dem Bauch raus kommen.
Doch dahinter muss immer auch eine Haltung stehen.
Selbstverständlich, diese beinhaltet zudem eine Analyse der Gesellschaft. Insofern müssen Hirn und Bauch zusammenkommen. Dann ist man aber schon sehr nahe bei dem, was man Engagement nennt.
Wie kann das gelingen, wenn kaum Geld fließt? Das ist in Zeiten einer Nullzinspolitik für eine Stiftung ja unabdingbar.
Die Stiftung als Rechtsform ist auf Dauer angelegt, da würde ich mich nicht irritieren lassen von kurzfristigen Dingen wie der Nullzinspolitik. Wir haben aber tatsächlich fast ausschließlich Projekte, die davon leben, dass Menschen Zeit stiften. Wir können keine Projekte Dritter fördern. Das finde ich nicht gut. Es ist ein strategisches Ziel dahin zu kommen, dies zu tun. Bisher müssen wir alle Ausgaben refinanzieren über Spenden und Zuwendungen öffentlicher Kassen. Aber das ist ja nicht der Sinn einer Stiftung.
Zumal Sie für das ebenso junge wie erfolgreiche Familienpatenprojekt auch Personalkosten haben.
Deshalb müssen wir den Kapitalstock erhöhen, um Einnahmen zu generieren. Wir wollen deshalb zum Beispiel einen Förderkreis aufbauen.
Hat die Stiftung in den vergangen zehn Jahren zu wenig daran gearbeitet, Einnahmen zu generieren?
Man hat sich sehr auf das Operative gestürzt. Das ist auch richtig, denn ohne Projekte kann man niemanden davon überzeugen, dass es richtig ist, sich auch mit Geld zu engagieren. Zudem haben wir ja nun einen wirtschaftlichen Betrieb.
Richtig, die Stiftung betreibt die Solaranlagen auf dem Rathaus.
Diese werden uns in den nächsten Jahren hoffentlich zu verlässlichen Einnahmen verhelfen.
Die Bürgerstiftung befindet sich, so hat es jedenfalls den Anschein, im zehnten Jahr ihres Bestehens im Wandel.
Ja, wir müssen professioneller werden. Das ist zwingend notwendig, weil die Ehrenamtlichen einen Anspruch darauf haben, dass ihre Arbeit professionell koordiniert wird. Sie brauchen eine Verknüpfung in die Politik, in die Gesellschaft und untereinander. Und sie brauchen die regelmäßige Anerkennung ihrer Arbeit.
150 Ehrenamtliche engagieren sich in Projekten der Stiftung. Sie könnten auch als mittelgroßer Verein agieren.
Positiv ist, dass eine Bürgerstiftung eigentlich auf die Ewigkeit angelegt ist. Aber es ist eine sinnvolle Frage, ob man sich die Rechtsform der Stiftung antut, die sehr schwierig und kompliziert sein kann. Das Stiftungsrecht geht davon aus, dass Stiftungen professionell gemanagt werden, etwa von einer Anwaltskanzlei.
War es vor diesem Hintergrund dann überhaupt richtig, eine Stiftung zu gründen?
Das werde ich nicht mehr beurteilen können. Wenn es gelingt, Stiftungskapital zu generieren, wird es die richtige Form gewesen sein.
Die Themen wiederum gehen Ihnen ja nicht aus. Wo sehen Sie die Schwerpunkte in nächster Zeit?
Ganz klar beim Flüchtlingsthema. Wobei ich lieber vom Integrationsthema rede. Denn es geht nicht nur um Flüchtlinge, sondern um alle, die benachteiligt sind.
Entwickeln sich die Themen aus den Erfahrungen der Familienpaten, die sehr eng auch an diesen Familien dran sind?
Ja. Die Familienpaten kommen zum Beispiel immer mehr zu der Erkenntnis, es hapere an der schulischen Integration dieser Kinder – egal ob sie hier geboren sind oder nicht. Sie haben eine Basis: Ihnen geht es materiell schlecht. Die Eltern sind nicht in der Lage, ihre Kinder in schulischen Themen zu betreuen. Die Kinder sind zwar in der Ganztagsschule, aber das Angebot geht offenbar an ihnen vorbei. Die Kinder kommen nämlich nach Hause und haben ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Nachdem sie acht Stunden in der Schule waren, wird es schwierig, die Hausaufgaben zuhause nachzuholen. Also gehen die Familienpaten inzwischen in die Schule und versuchen dort, mit den Kindern Hausaufgaben zu machen. Die Ehrenamtlichen sehen den Mangel und sie wissen, sie kommen in den Familien nur weiter, wenn sie etwas tun.