Ministerpräsident Winfried Kretschmann führt 50 Bürger durchs Neue Schloss Foto: dpa

Um selbst Heiratswillige im Neuen Schloss zu trauen, fehlt es ihm an Zeit. Für eine Führung mit 50 Bürgern hat Ministerpräsident Winfried ­Kretschmann am Samstag jedoch eine Stunde in seinem Terminkalender freigeschaufelt.

Stuttgart - Agnes Nowak aus Weilheim an der Teck muss sich keine Gedanken mehr über das passende Weihnachtsgeschenk für ihre Schwiegereltern machen. Sie hat das Präsent bereits gefunden und ihnen eine Führung durch das Neue Schloss in Stuttgart geschenkt. Es war ein Rundgang der besonderen Art. Schließlich hatte sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann persönlich am Samstag eine Stunde Zeit genommen, um rund 50 Menschen durch den Mitteltrakt des Barockschlosses zu führen.

„Herr Kretschmann hat das sehr fundiert rübergebracht. Es wäre schön, wenn das Schloss als zentraler Platz in Stuttgart öfter von den Bürgern genutzt werden könnte“, sagt Agnes Nowak. Ähnlich äußert sich auch Josef Rehage aus Stuttgart. „Das Schloss repräsentiert eine der Schokoladenseiten der Stadt und sollte als Bürgerschloss öfter zugänglich sein“, sagt er.

Der Landesvater formulierte vorsichtiger, wie die Residenz künftig den Bürgern offen stehen soll: „Hier ist auch ein Ort als Brücke zur Politik. Wir machen heute einen Anfang, um das Schloss zu öffnen.“ Der nächste Schritt könnten Ausstellungen sein, wie sie Cornelia Ewigleben gegenüber unserer Zeitung vorgeschlagen hat. Die Direktorin des Landesmuseums Württemberg würde Teile der Sammlung gerne hier zeigen. Im Alten Schloss fehle ihr schlicht der Platz dafür.

Kretschmann präsentierte sich bei seinem Spaziergang als Kenner und Kritiker des Barock. Zum Anzug trug er eine grüne Krawatte, streute kleine Anekdoten ein und gab Einblicke in die geheimen Wünsche eines Landesvaters. „Ich würde gerne im Neuen Schloss trauen. Aber leider kann man nicht einfach alles machen, was einem so einfällt“, sagte Kretschmann. Für einen mehrwöchigen Kurs zum Standesbeamten fehle ihm schlicht die Zeit. Trauungen im Neuen Schloss übernehmen am 14. Februar die Mitarbeiter des Stuttgarter Standesamts.

Bei der Führung sprach Kretschmann über einen Tropfstein aus der Nebelhöhle auf der Schwäbischen Alb, der beim Bau mit eingearbeitet worden war, und von der einstigen Etikette am Hofe. Früher seien die Gäste der Schlossherren nur ganz oben in der Beletage empfangen worden. Der Mitteltrakt des Neuen Schlosses dient auch heute zu Repräsentationszwecken. Kretschmann selbst holt dabei seine Staatsgäste vom Auto ab, wie er es mit dem holländischen Königspaar Maxima und Willem-Alexander diesen Sommer getan hat. „Die meisten Staatsgäste sind ja auch hochrangiger als ich Provinzfürst.“ In Marmorsaal, seinem „schönsten“ Dienstzimmer, steht ein französischer Schreibtisch aus dem Jahr 1780. Benutzt hat er ihn noch nicht. „Es wäre ja schade, wenn mir da der Filzstift ausrutscht.“

Man spürt beim Rundgang aber auch, dass der Grünen-Politiker eine gewisse Distanz zur Geschichte des Schlosses hat, das den Fürsten einst zur „Selbstinszenierung“ gedient habe. „Diese Attitüde des Herrschens, die im Barock herrschte, lehne ich strikt ab“, sagte Kretschmann. „Regieren muss heute ganz anders aussehen.“ Wie, das erläuterte der baden-württembergische Regierungschef im ehemaligen Thronsaal, wo derzeit jeden Dienstag der Ministerrat tagt. „Meine Devise lautet: Im Kabinett wird entschieden, nicht diskutiert. Aber jeder Regierungschef hat einen anderen Stil.“

Vom 14. Februar 2014 an kann man sich im Neuen Schloss standesamtlich trauen lassen. Infos gibt das Standesamt der Stadt Stuttgart, zu erreichen per E-Mail unter Standesamt@stuttgart.de oder telefonisch unter 07 11 / 216 - 8 88 42.