Im Sommer hatten die 61 Mitglieder des Bürgerrats Klima ihre Empfehlungen an OB Frank Nopper (vorne Mitte) übergeben. Foto: Landeshauptstadt Stuttgart/Ludmilla Parsyak

Stuttgarter Stadträte von CDU, Freien Wählern und AfD bezweifeln die Neutralität des Bürgerrats Klima. Die Mitglieder wehren sich nun gegen die Anschuldigungen – und bekommen dabei Unterstützung.

Als Fabia Göhring das Wort ergreift, merkt man ihr an, wie sehr sie das Ganze mitnimmt. Über mehrere Monate hinweg hat sie einen großen Teil ihrer Freizeit geopfert, um im Bürgerrat Klima mit 60 anderen Stuttgarterinnen und Stuttgartern Empfehlungen zu erarbeiten, was passieren muss, damit die Stadt bis zum Jahr 2035 klimaneutral wird. An mehreren Samstagen, insgesamt 48 Stunden lang, haben die zufällig ausgewählten Personen über Mobilität und Wärme diskutiert, „das war ein äußerst kontroverses Gremium“, sagt Göhring. Doch nun stellen mehrere Lokalpolitiker die Neutralität des Bürgerrats Klima ins Frage.

 

Konkret geht es vor allem um Aussagen der Stuttgarter CDU, der Freien Wähler und der AfD. Durch Wortbeiträge in öffentlichen Sitzungen sowie durch einen Antrag von CDU und Freien Wählern wurde der Bürgerrat Klima als tendenziös dargestellt. Inzwischen wurden die Vorwürfe zwar weitestgehend ausgeräumt, doch die Kritik reißt nicht ab.

Begriff „Klimakrise“ sei Populismus, sagt CDU-Stadtrat

Die Stadträte aus dem konservativeren Spektrum bemängeln etwa, dass die Stadt Stuttgart auf ihren Internetseiten zum Bürgerrat Klima die Bezeichnung „Klimakrise“ statt „Klimawandel“ verwende. „Klimakrise“ sei ein „populistischer Begriff“, findet Markus Reiners (CDU). Zudem stören sich CDU und Freie Wähler daran, dass der Organisator des Bürgerrats Klima wohl Sympathisant von Fridays for Future ist. Christian Köhler (AfD) hatte zudem kürzlich behauptet, dass die meisten, die beim Bürgerrat Klima mitgemacht hätten, wohl „intrinsisch motiviert“ seien und das Gremium daher keinen echten Querschnitt der Stuttgarter darstelle.

„Ich kann die Vorwürfe in keiner Form teilen“, betont Fabia Göhring, eine Teilnehmerin des Bürgerrats. „Ich bin schockiert, wie zurzeit diskutiert wird.“ Die Teilnehmerin aus Heslach war eine der Vertrauenspersonen im Bürgerrat Klima. Immer wieder habe sie gehört, dass viele der vor einem Jahr zufällig angeschriebenen Personen zunächst nicht Mitglied des Bürgerrats Klima werden wollten. „Aber einige haben es dann als ihre Bürgerpflicht angesehen, doch teilzunehmen.“ Schon daran zeige sich, dass viele Mitglieder eben nicht aus eigenem Antrieb motiviert waren – und teils auch bis dahin wenig Interesse am Klimawandel hatten.

Zuspruch von Fraunhofer für das Gremium

Die Neutralität der Organisation wird auch vonseiten Fraunhofer IRB betont. Das Institut führte eine externe Evaluation des Bürgerrats durch. Zwei Mitarbeiterinnen haben am Dienstagabend im Beteiligungsbeirat betont, dass sie „keine Einflussnahme festgestellt“ hätten sowie das ganze Vorgehen „sehr wissenschaftlich“ gewesen sei. Es sei vor allem um Statistiken, Zahlen und Fakten gegangen, nicht um Meinungen.

Die Mitglieder des Bürgerrats äußern sich ähnlich. Sybille Schmid etwa spricht von „extremer Neutralität der gesamten Organisation“. Daniela Otto berichtet von „sehr neutralen Moderatoren, die alle Wortmeldungen gleich behandelt haben“. Sie sieht in den Vorwürfen einen Versuch der „Diskreditierung“ des Bürgerrats Klima. Isabella Kessel erzählt von durchaus „frustrierenden“ Diskussionen in dem Gremium – eben weil da Menschen mit völlig unterschiedlichen Hintergründen aufeinandergetroffen seien. Aber genau das sei ja das „Gute und Spannende“ gewesen.

Bürgerräte wollen weniger Parkplätze

Martin Eisele-Remppis, ebenfalls im Bürgerrat Klima aktiv, drückt es so aus: „Diejenigen, die jetzt versuchen, uns kleinzuhalten, sind mit den Ergebnissen nicht zufrieden.“ Besonders viel Aufsehen hatte etwa die Empfehlung der Runde erzeugt, pro Jahr jeweils fünf Prozent der Parkplätze in Stuttgart umzuwandeln, in Radwege, Grünflächen oder in Begegnungsflächen.

Das Ziel der Mitglieder sei eine gemeinsame Lösung gewesen, sagt Eisele-Remppis. Nun müssten Gemeinderat und Verwaltung die Empfehlungen ernst nehmen, „bisher ist da aber kein Wille erkennbar“, findet er.