Schüler des Büchner-Gymnasiums nehmen den Bürgerpreis für das Projekt „Mitglied sein – Zuhause sein“ entgegen. Foto: Gottfried Stoppel

„Integration gemeinsam leben“ ist das Motto des Bürgerpreises 2016. Die Kreissparkasse Waiblingen hat nun mehrere in der Flüchtlingsarbeit engagierte Ehrenamtliche aus dem Rems-Murr-Kreis für ihren vorbildlichen Einsatz geehrt.

Waiblingen - Der Landrat Richard Sigel erinnert sich noch gut an jenen Augusttag im vergangenen Jahr, an dem er, kurz nach seinem Amtsantritt, geschockt vor einer Ruine in Unterweissach gestanden ist. Das durch Brandstiftung zerstörte Gebäude hätte eigentlich als Wohnort für geflüchtete Menschen dienen sollen. „Neben mir standen Sie“, sagte Sigel am Dienstagabend bei der Verleihung des Bürgerpreises Rems Murr (siehe „Eine Auszeichnung für Ehrenamtliche“) zu Silke Müller-Zimmermann, der Vorsitzenden des Vereins Weissach Klimaschutz konkret.

Der Verein, den Sigel in seiner Laudatio als „ein Aushängeschild für ein offenes und tolerantes Weissach“ bezeichnete, ist für sein Projekt Bazärle mit dem Bürgerpreis in der Kategorie Alltagshelden ausgezeichnet worden. In dem Laden für „Gebrauchtes, Kreatives und Integration“ können Flüchtlinge arbeiten, sie erhalten im Gegenzug Sachspenden wie Kleider – und Anerkennung. 1500 Euro erhält der mit 13 Mitgliedern kleine, aber äußerst rege Verein, dessen Projekt der Landrat als „einen der Sonnenstrahlen im Landkreis“ bezeichnete.

Helfer über Sprachhürden

Tawfik Alchaki gehört zu jenen Männern, die seit dem vergangenen Sommer in der Turnhalle des Berufsschulzentrums Waiblingen leben müssen, weil es im Landkreis nicht genügend Unterkünfte für Geflüchtete gibt. Der aus Syrien stammende Chirurg spricht gut Deutsch – und so ist er zu einem wichtigen Helfer für seine Mitbewohner geworden. Er dolmetscht für sie bei Behördengängen, er berät und begleitet sie zu Ärzten oder in die Apotheke. „Sie helfen, Hürden zu überwinden, Sie sind ein Vorbild und ein Multiplikator“, lobte Wolfgang Sartorius, der Vorstandsvorsitzende der Erlacher Höhe, Alchakis Einsatz. Seine Bitte an den Mediziner: „Stecken Sie noch ganz viele an mit Ihrem Engagement, denn wir brauchen mehr dieser Alltagshelden.“ Tawfik Alchaki hat derzeit nur einen Wunsch: „Ich warte auf einen Termin bei der Ärztekammer und hoffe sehr, dass ich schnell arbeiten kann.“

Mehr als 50 junge Helden

Sie sind laut dem Fellbacher Rathauschef Christoph Palm „der beste Beweis dafür, dass soziales Engagement schon früh beginnen kann“, und haben ihre mit tausend Euro dotierte Auszeichnung in der Sparte Junge Helden verdient: Mehr als 50 Neunt- bis Zwölftklässlern des Winnender Georg-Büchner-Gymnasiums haben das Projekt „Mitglied sein – Zuhause sein“ ins Leben gerufen. Bei der Preisverleihung begründeten die Schüler das so: „Uns war es wichtig, selbst etwas zu tun und nicht nur zuzuschauen.“

Der Auslöser war ein Schulgottesdienst, bei dem die Jugendlichen den seit rund zehn Jahren in Deutschland lebenden gebürtigen Eritreer Robel Mesgena kennen gelernt hatten. Damals beschlossen sie, dass sie ihren Teil dazu beitragen wollen, dass Flüchtlinge sich hier wohl und zu Hause fühlen. Einmal in der Woche geben die Jugendlichen nun geflüchteten Menschen Sprachunterricht. „Der Betreuungsschlüssel ist so gut, dass auf jeden einzelnen eingegangen werden kann“, sagt Christoph Palm. Auch die angebotenen Rollenspiele für Bewerbungsgespräche zeigen offenbar Wirkung: Mithilfe der Schüler sind einige Geflüchtete auf Praktikumsplätze und sogar in Ausbildungsverhältnisse vermittelt worden. Für die Zukunft planen die Gymnasiasten, das Netzwerk für Flüchtlinge noch mehr auszuweiten – auf Vereine, Jugendtreffs und kirchliche Einrichtungen.

Zaubern mit Nadel und Faden

Erstmals hat die Jury einen Anerkennungspreis für Unternehmer vergeben. „Es wird viel geredet über das Thema Flüchtlinge. Doch während andernorts noch diskutiert wurde, haben Sie angefangen“, lobte der Vorstandsvorsitzende der Diakonie Stetten, Rainer Hinzen, die Initiatoren der Schorndorfer Nähwerkstatt Zauberfaden, Sükriye Döker und Klaus Österle. Der Zauberfaden bietet 13 Frauen und Männern aus fünf Ländern eine geregelte Beschäftigung und die Chance, Deutsch zu lernen und anzuwenden. Das im März 2015 gegründete gemeinnützige Unternehmen durfte bereits für das Modelabel Riani Taschen anfertigen, die auf der Berliner Fashion-Week gut ankamen.

Eine Auszeichnung für Ehrenamtliche

Bürgerpreis
Der Bürgerpreis Rems-Murr ist ein von der Kreissparkasse Waiblingen vergebener Preis für ehrenamtliche Tätige im Rems-Murr-Kreis. Er wird einmal im Jahr unter einem speziellen Motto ausgelobt, das dieses Mal „Integration gemeinsam leben“ lautet. Der Preis wird in mehreren Kategorien vergeben: in der Sparte „Alltagshelden“ sowie der seit dem Jahr 2014 eingeführten Kategorie „Junge Helden“ für die Altersstufe bis 21 Jahre. Neu ist in diesem Jahr der Anerkennungspreis für engagierte Unternehmer. Auswahl
Die Jury setzte sich aus insgesamt fünf Preisrichtern zusammen: dem Landrat Richard Sigel, dem Fellbacher Oberbürgermeister Christoph Palm, dem Welzheimer Bürgermeister Thomas Bernlöhr, Wolfgang Sartorius, dem Vorstand der Erlacher Höhe, sowie dem Vorstandsvorsitzenden der Diakonie Stetten, Rainer Hinzen.

Teilnehmer
Für den Bürgerpreis 2016 haben sich 34 Bewerber gemeldet. Ausgezeichnet worden sind vier Kandidaten, zwei davon in der Kategorie „Alltagshelden“. Die Ausgezeichneten haben nun auch Chancen auf den Deutschen Bürgerpreis.