Seit Jahrzehnten setzt Siegfried Schulz in der Schönbuchstadt Akzente Foto: /Claudia Barner

Siegfried Schulz aus Waldenbuch ist für sein vielfältiges Engagement mit dem Bürgerpreis der Bürgerstiftung ausgezeichnet worden und erzählt was ihn an- und umtreibt.

Waldenbuch - Man kann Eindruck machen, ohne sich in Szene zu setzen. Man kann Dinge bewegen, ohne lautstark aufzutreten. Und man kann bescheiden bleiben, wenn die eigenen Verdienste gefeiert werden. Der Waldenbucher Siegfried Schulz kann all das – und noch vieles mehr. Seit Jahrzehnten setzt der Pfarrer i.R. in der Schönbuchstadt Akzente. Als SPD-Mitglied und Mitbegründer der Flüchtlingshilfe, aber auch als Heimatforscher, mit dem Gespür dafür, was die Menschen bewegt. Jetzt wurde er für sein Engagement mit dem Bürgerpreis der Bürgerstiftung ausgezeichnet.

Es gibt ein Problem mit Siegfried Schulz. Die früherer Stadtarchivarin und Laudatorin Christine Bührlen-Grabinger hat es schnell erkannt: „Bei ihren vielen Verdiensten weiß ich eigentlich gar nicht, wo ich anfangen soll.“ Wenn es in Waldenbuch historisch wird, ist der 81-jährige Theologe gefragt. Das Stadtjubiläum, das Stelen-Projekt, die jährlichen Aufsätze im Jahresrückblick, unzählige Recherchen und Vorträge, sein Einsatz für die Kleindenkmale und den Erhalt der Zehntscheuer gehören dazu. Auch der persönliche Einsatz, mit dem seine Frau Anneliese und er vor acht Jahren die ersten Flüchtlingsfamilien aufgenommen haben, wirkt bis heute nach. Doch woher kommt die Leidenschaft und was treibt ihn an?

Gesellschaftlicher Zusammenhalt ist ihm wichtig

Auf diese Frage hat auch Siegfried Schulz selbst keine einfache Antwort. „Kraft und Motivation, historisches Interesse und nicht nachlassende Neugier sprudeln aus einer Quelle, die ich nicht kenne, die ich höchstens ahne“, sagt er. Reist man mit ihm zurück in die Vergangenheit, wird jedoch deutlich, was den Theologen geprägt hat und weshalb ihm die Geschichte und gesellschaftlicher Zusammenhalt so wichtig sind.

Vertreibung, Flucht und Ausgrenzung sind Themen, die auch in seinem Leben eine Rolle spielen. Anfang 1945 musste Siegfried Schulz im Alter von fünf Jahren mit seiner Mutter und dem Bruder aus Königsberg flüchten. „Mit dem letzten Schiff ging es nach Dänemark. Dort lebten wir dreieinhalb Jahre im Flüchtlingslager Oksbøl“, erzählt er. Bis zu 36 000 Menschen waren in dem stacheldrahtbewehrten Barackenlager zusammengepfercht. Das Zimmer teilte sich Schulz mit 15 weiteren Personen. Was ihm aus dieser Zeit besonders in Erinnerung geblieben ist: „Wir haben zusammengehalten und uns organisiert. Wir waren in Sicherheit und mussten keinen Hunger leiden.“

Prägende Erlebnisse in der Kindheit

1948 kam die Familie nach Alpirsbach. Die Mutter fand Arbeit, vier Jahre später konnte die Familie ein eigenes Haus beziehen. „Sie hat zum Glück trotz vieler Widerstände den Wert einer guten Bildung erkannt“, erinnert sich der Theologe. Zum wachsenden Interesse für geschichtliche Hintergründe und zu den großen Lebensfragen, auf die der junge Mann später beim Studium der Theologie im Evangelischen Stift in Tübingen nach Antworten sucht, gesellt sich das Gefühl, nicht willkommen zu sein. Es gibt prägende Erlebnisse, die bis heute nicht vergessen sind. Wie zum Beispiel jener Bauarbeiter, der den Kindern zurief: „Solchen wie Euch gehört das Kreuz gebrochen.“

Als Pfarrer in Dettenhausen und Unteraichen, als Religionspädagoge am Dillmann-Gymnasium und später am PMHG in Leinfelden-Echterdingen war der Theologe gut beschäftigt. Trotzdem ziehen sich das ehrenamtliche Engagement sowie der Wunsch, Menschen zusammenzubringen und gemeinsam Lösungen zu entwickeln, wie ein roter Faden durch seine Vita.

Verantwortung übernommen

Klassensprecher, Schulsprecher, Personalratsvorsitzender, die Jahre in der Telefonseelsorge – Siegfried Schulz bringt sich ein, übernimmt Verantwortung und folgt seinem Leitspruch: „Man fragt nicht, man macht, was vor die Hand kommt.“ Wie man das schafft? „Indem man sich darüber selbst nicht vergisst“, verrät der Waldenbucher. Man könne anderen besser helfen, wenn es einem gut gehe. Er habe deshalb auch mal Nein sagen können. Er schätzt die kleinen Freuden des Alltags. Wenn er mit den Enkeln durch Waldenbuch läuft, genießt Siegfried Schulz, dass sie gemeinsam die Texte auf den Gedenktafeln studieren können, die der Opa verfasst hat. Und er kann mit den Geschichtsfreunden darüber schmunzeln, wenn er in alten Kirchenbüchern die Ausreden eines untreuen Ehemanns entdeckt, der zu Protokoll gibt: „Ich war so besoffen. Ich weiß nicht, wie ich in das fremde Bett kam, und was ich da wollte, weiß ich schon gar nicht . . .“

Über den Preis der Bürgerstiftung freut sich der 81-Jährige zwar. Ein wenig unangenehm ist ihm der Wirbel allerdings doch. „Ich wollte gar nicht groß die Welt verbessern oder das Christsein vor mir hertragen“, sagt er. Irgendwie habe sich alles einfach so gefügt. „Das ist Selbstverständlichkeit pur“, erklärt der Theologe und formuliert dann doch noch einen Satz, der als Motiv für sein außergewöhnliches Engagement dienen könnte: „Es ist das Leben des Menschen, miteinander zu sein und sich umeinander zu kümmern.“