An die hundert Besucher nahmen an der Eröffnungsführung teil. Foto: Lichtgut/Volker Hoschek

Zum Eröffnungstag haben viele Besucher den Weg in den Park der Villa Reitzenstein gefunden. In dem Garten gibt es für Flaneure viel zu sehen.

S-Ost - Perfektes Flanierwetter stellt man sich anders vor. Aber auch vom Regen haben sich an die hundert Besucher nicht beirren lassen und am Samstag an der Eröffnungsführung durch den Park der Villa Reitzenstein teilgenommen, viele weitere Spaziergänger waren auf eigene Faust in der Anlage unterwegs.

Allen voran ging Werner Schempp als Leiter der Führung. Schempp arbeitet seit 30 Jahren im Staatsministerium, heute als Leiter der internationalen Abteilung. Er bekannte sich als großer Fan des Parks und wusste viele Anekdoten aus dessen Geschichte zu erzählen. Etwa, dass der Park „einer Witwe und einer Weltreise“ zu verdanken sei: Mit der Witwe ist Helene von Reitzenstein gemeint, die den Park erbauen ließ. Bevor die Bauarbeiten losgehen konnten, schickte sie ihre Architekten auf eine Reise, bei der sie sich in Frankreich und Italien für ihre Entwürfe inspirieren lassen sollten. Zwischen 1910 und 1913 entstand dann die Villa Reitzenstein. „Das war die größte Baustelle Württembergs“, erzählt Schempp: 300 Handwerker seien jeden Tag aus dem Remstal hergewandert, um die Villa zu bauen. Helene von Reitzenstein lebte lediglich zehn Jahre lang in ihrer Villa, und als sie nach Bayern zog, verkaufte sie die Anlage an Johannes von Hieber, den Staatspräsidenten von Württemberg. Während ihrer Zeit in der Villa, erzählt Schempp, war Helene von Reitzenstein durchaus ambitioniert. So habe sie es geärgert, dass Robert Bosch, der in der Nachbarschaft wohnte, vor ihr im Telefonverzeichnis stand.

Großartiger Ausblick auf die Stadt

Der Park bietet viel für Auge und Gemüt: den Ausblick auf die Stadt, die Hängebuchen, den Lindenplatz, die Orchideenwiese, den Felsengarten. „Es ist eine Generationenaufgabe, den Park zu pflegen“, sagt Schempp. Im vierten Jahr nun ist der Park nach einer umfangreichen Sanierung für die Öffentlichkeit geöffnet. Vier Mitarbeiter der Wilhelma pflegen die Flora.

Noch vor der Sommerpause bezogen werden soll das Eugen-Bolz-Haus: Es steht an der Stelle eines asbestbelasteten Erweiterungsbaus, der abgerissen wurde. 60 Büros gibt es hier, außerdem Kantine, Bibliothek und Besucherzentrum. Benannt ist es nach Eugen Bolz, der 1933 als Staatspräsident von den Nazi abgesetzt und 1945 hingerichtet wurde. Hätte das Stauffenberg-Attentat Erfolg gehabt, wäre der Widerstandskämpfer im geplanten neuen Kabinett Kultusminister geworden. Auch Eugen Bolz hat, wie viele Ministerpräsidenten nach ihm, in der Villa Reitzenstein gearbeitet. Das Eugen-Bolz-Haus soll zusammen mit der Villa an einem Tag der offenen Tür, voraussichtlich im Herbst, auch von innen von der Öffentlichkeit besichtigt werden können.

Von hier stammt der Regierungshonig

Letzte Station der Führung sind die sechs Bienenstöcke, die auf dem Gelände beheimatet sind. Der sogenannte „Regierungshonig“, der aus der Arbeit der Bienenvölker entsteht, wird vom Ministerpräsident an ausgesuchte Gäste verschenkt. Käuflich erwerben kann man ihn nicht. „Ich finde es schön, dass es selbst im 21. Jahrhundert noch Dinge gibt, die mit keinem Geld der Welt zu kaufen sind“, meinte Werner Schempp.

Die nächsten Termine, an denen der Park der Villa Reitzenstein von 10 bis 17 Uhr zugänglich ist, sind 7. Mai, 28. Mai und 4. Juni. Der 4. Juni gehört zu den Stuttgarter Nachhaltigkeitstagen, mit besonderen Aktionen für Kinder. Für 17. September ist das Bergkonzert geplant, bei dem in Kooperation mit dem Popbüro Stuttgarter Nachwuchsbands auftreten sollen. Für den 15. Oktober sind zwei Gartenführungen mit dem Schwerpunkt Parkarchitektur angesetzt. Dazu ist eine Anmeldung notwendig (Telefon 2153-230).