Sie haben sich am Mittwoch in Berglen vorgestellt (von rechts): Ulrich Werner, Joachim Reymann, Katja Weidlich und Holger Niederberger. Albert Krauß hat ganz kurzfristig einen Rückzieher gemacht. Foto: Gottfried Stoppel

Sechs Bewerber wollen Bürgermeister in Berglen werden. Vier nutzten die Gelegenheit der offiziellen Kandidatenvorstellung am Mittwochabend. Einer trat erst gar nicht an, einer suchte kurzfristig das Weite.

Berglen - Nach dem Wechsel des eigentlich erst im vergangenen Sommer wiedergewählten Maximilian Friedrich nach Backnang ist das Amt des Rathauschefs in der knapp 6500 Einwohner starken Gemeinde Berglen vakant. Am 4. Juli soll hier ein neuer Bürgermeister gewählt werden. Eine Frau und fünf Männer haben ihre Bewerbung dazu abgegeben. Vier der Aspiranten haben am Mittwochabend die Möglichkeit genutzt, sich der Gemeinde vorzustellen, die Veranstaltung in der Sporthalle in Oppelsbohm ist per Livestream im Internet übertragen worden. Je Zehn Minuten Selbstdarstellung und zehn Minuten Fragerunde lauteten die Regeln.

Die Schwarmintelligenz nutzen

Weil ihm seine Frau gesagt habe, er dürfe „nicht nur meckern, sondern auch mal etwas machen“, ist Joachim Reymann in „Die Partei“ eingetreten. Nach Berglen ziehe es ihn vor allem der schönen Landschaft wegen, sagt der 58-jährige Ökonomiecoach aus Waiblingen. Er wolle dazu beitragen, das Kleinod zu erhalten, dabei nach basisdemokratischen Prinzipien vorgehen und insbesondere die Schwarmintelligenz der Gemeinde nutzen. Als Nicht-Berglener sei er frei von Verpflichtungen und Verbindungen, auch eine fehlende einschlägige Berufserfahrung sieht Reymann nicht als Nachteil an. „Verwaltungsfachkräfte sind hier genug vorhanden, was fehlt, ist ausgewiesene Finanzexpertise“, sagt Reymann.

Familie ist die große Stärke

„Familie ist meine große Stärke“, sagt Katja Weidlich. Die 37-jährige Mutter von vier Kindern ist vor sechs Jahren in den Teilort Steinach gezogen, ihr Mann ist der Wasserwart in Berglen. Als Pflegedienstleiterin eines Betriebs außerhalb der Kommune sei sie nicht nur „ebenso leidenschaftliche Chefin wie Mutter“, sie wisse auch, worauf es ankommt, damit man beides unter einen Hut bekommt. Unter der Ägide von Maximilian Friedrich sei nach langer Zeit des Stillstands viel Bewegung in die Berglen gekommen, sagt Weidlich – jetzt gelte es, die richtige Balance zwischen erneuern und erhalten zu finden. Als Ideen, die sie gerne einbringen würde, nennt sie eine Berglen-App, einen zirkulierenden Wochenmarkt sowie eine Ausbildungsmesse. Am Ende ihrer Vorstellung sagt sie selbstbewusst: „Unter den Bewerbern bin ich die beste Wahl.“

Von hier und wieder hier

„Ich bin hier aufgewachsen, ich kenne meine Heimat und weiß, wo ich herkomme“ – Holger Niederberger stellt besonders seine Ortskenntnis und -verbundenheit heraus. Nach einer Ausbildung als Kameramann und Tontechniker hat er Politikwissenschaften studiert und in Berlin als wissenschaftlicher Mitarbeiter verschiedener Abgeordneter „Verwaltung ganz praktisch studiert“, wie er sagt. Mittlerweile ist er nicht nur ins Remstal zurückgekehrt, wo er als persönlicher Referent des Weinstädter Oberbürgermeisters arbeitet, er wohnt auch mit Frau und zwei Töchtern wieder in Berglen, hat dort ein Haus gebaut und möchte in seiner Heimat „die Zukunft im Einklang mit den Menschen entwickeln“. Einiges hält er für „ausbaufähig“, die Jugendangebote zum Beispiel. In Sachen Neubaugebiete müsse man hingegen „behutsam“ vorgehen. Seine fehlende Verwaltungsausbildung sieht der Kandidat, der sich selbstbewusst präsentiert, nicht als Manko an. „Ich arbeite mich da rein“, sagt der 44-Jährige.

Als Jurist ein Generalist

Als einen erfahrenen „Generalisten“ stellt sich Ulrich Werner dar. Der Jurist ist Teamleiter Recht einer Landesbehörde. „Zuhören können, als Trainer ein Team motivieren“, nennt er als seine Stärken. Mehrmals betont er, dass er viele Jahre Abteilungsleiter und Vorsitzender eines Sportvereins gewesen sei und in dieser Zeit oft mit der Kommune zusammengearbeitet habe. „Ich kenne die Schnittstellen.“ Auch er nennt Berglen ein ökologisches Kleinod, das es in Charakter und Struktur zu erhalten und behutsam weiterzuentwickeln gelte. Er kenne die Flächengemeinde gut, weil er im Rems-Murr-Kreis verwurzelt sei, und von einigen Ausflügen. Jetzt möchte er dort gerne „wohnen und arbeiten“.

Und einer fehlt plötzlich

Zwei weitere Männer haben ihre Bewerbung als Bürgermeister abgegeben. Während Dauerkandidat Samuel Speitelsbach erst gar nicht nach Oppelsbohm angereist war, hat sich der Fellbacher Speditionskaufmann Albert Krauß irgendwann nach dem Eröffnungsfoto klammheimlich von dannen gemacht. Wie und warum, konnte auch der Moderator der Veranstaltung, der Gemeinderat und Wahlausschussvorsitzende Armin Haller, nicht erklären. Manchem Zuschauer wird es nicht unrecht gewesen sein: So konnten alle noch rechtzeitig zum Fußball-EM-Spiel Deutschland-Ungarn daheim sein.