Blick über den Neckar auf Gundelsheim mit Schloss Horneck. In dem idyllischen Städtchen sind die Fronten verhärtet Foto: Arco Images

Mit hauchdünner Mehrheit ist die Bürgermeisterin von Gundelsheim im vergangenen Jahr wieder gewählt worden. Ein Gericht hat jetzt entschieden, dass die Wahl nicht wiederholt wird. Dabei hat es bei der Auszählung Unregelmäßigkeiten gegeben.

Gundelsheim - Der Sekt wird schal, die Blasmusik zieht unverrichteter Dinge ab, und kein strahlender Sieger tritt vor die Bürgerschaft. Der Abend des 26. April des vergangenen Jahres ist in Gundelsheim (Kreis Heilbronn) kein Festtag der Demokratie gewesen, wie Wahltage gerne bezeichnet werden. Zwar hatte sich die Amtsinhaberin bei der Bürgermeisterwahl im ersten Wahlgang durchgesetzt, das aber denkbar knapp. Elf Stimmen lag sie vor ihrem jungen Konkurrenten, lediglich mit einer Stimme übersprang sie die erforderliche absolute Mehrheit. Heike Schokatz musste das erst verdauen. Zwei Tage später bedankte sie sich via Facebook bei ihren Wählern. „Das große Vertrauen, der Mut, der mir zugesprochen wurde, aber auch die Kritik lassen mich nicht unberührt“, schrieb die parteilose Bürgermeisterin, die für die CDU im Kreistag sitzt.

Das Gericht muss Nüsse knacken

Mehr als ein Jahr später ist Gundelsheim immer noch eine geteilte Stadt und Schokatz noch nicht offiziell in ihr Amt wieder eingeführt. Der Grund ist die Wahlanfechtungsklage einer erklärten Schokatz-Gegnerin, der fast 150 Bürger der 7000-Einwohner-Stadt beitraten und die am Freitag der siebten Kammer des Verwaltungsgerichts in Stuttgart ordentlich Kopfzerbrechen bereitete. „Es gibt für uns einige Nüsse zu knacken“, sagte die Vorsitzende Richterin Sylvia Thoren-Proske. Am Abend veröffentlichte sie den Urteilstenor: Die Klage werde abgewiesen.

Allerdings stellte auch das Gericht fest, dass es eine Vielzahl an Verstößen gegen das Kommunalwahlgesetz und die Kommunalwahlordnung gegeben habe. So waren die Wahlzettel nach der Auszählung nicht ordnungsgemäß versiegelt worden. Eine Nachauszählung habe im stillen Kämmerlein stattgefunden, statt öffentlich. Der Gemeindewahlausschuss, der eigentlich eine solche Kontrollzählung hätte anordnen müssen, sei von den drei eifrigen Verwaltungsmitarbeitern nicht einmal informiert worden. Zudem sei die öffentliche Sitzung, in dem das Gremium das offizielle Ergebnis feststellen sollte, erst zwölf Minuten vor Beginn per Aushang bekannt gemacht worden. „Das ist nicht schön“, sagte Richterin Thoren-Proske, die sich immer wieder unwillige räusperte.

Wann begann der Murks?

Armin Wirsing, der Anwalt der Klägerin, ging noch weiter. „Das ist Österreich im Kleinen“, stellte er fest. Doch so weit wie das Verfassungsgericht in Wien, das eine Neuauflage der Stichwahl der österreichischen Bundespräsidentenwahl verfügte, wollte die Stuttgarter Kammer nicht gehen. Man habe nicht feststellen können, dass ohne die erkannten Fehler ein anderes Wahlergebnis zumindest möglich gewesen wäre, heißt es im Tenor des Urteils. Dies sei der springende Punkt. Schließlich hätten die drei Verwaltungsmitarbeiter, die sich am Montag nach der Wahl unbefugt, aber wohl nicht mit bösem Willen zur Nachzählung zusammensetzten, nur versucht, das am Abend zuvor festgestellte Ergebnis nachzuvollziehen. Es sei ihnen nicht möglich gewesen, das Ergebnis entscheidend zu verändern. Am Wahlabend sei aber wie vorgeschrieben öffentlich ausgezählt worden. Insofern gebe es auch keine alpenländischen Verhältnisse. „In Österreich ist der Murks ja schon in den Wahlvorständen passiert“, sagte die Richterin.

Allerdings war auch bei der abendlichen Auszählung nicht alles mit rechten Dingen zugegangen. So lagen in einer Wahlurne plötzlich zwei Stimmzettel mehr, als Wähler gezählt worden waren. Die Wahlzettel hätten ineinander gesteckt. Möglicherweise habe man vereinzelt mehrere Stimmzettel ausgegeben, lautet die Erklärung der Stadt. Der örtliche Wahlvorstand hatte die Panne zu heilen versucht, in dem er zwei leere Stimmzettel aus der Urne aussortierte. Eigentlich hätten sie als ungültig gezählt werden müssen. Der Gemeindewahlausschuss wurde darüber zunächst aber nicht informiert. „Man hat versucht, den Fehler unter den Teppich zu kehren“, sagte die Richterin Thoren-Proske.

„Praxis auch anderswo gängig“

Der juristische Vertreter der Stadt, Professor Hans-Jörg Birk, warb um Verständnis. „Die Wahlvorstände sind ja keine Profis, sondern Ehrenamtliche“, sagte er. Zudem seien etliche der genannten Verstöße in vielen Gemeinden gängig. Für das Ergebnis sei dies ohnehin unerheblich. Auch ungültige Stimmen würden nicht gewertet. Der Anwalt der Klägerin wollte das nicht stehen lassen. Die Praxis sei egal, sagte Wirsing. „Das ist schlichtweg rechtswidrig.“ Ob nun der Landrat endlich zur feierlichen Amtseinsetzung anreisen kann, ist ungewiss. Der Klägerin steht der Rechtsweg offen. Ob sie ihn beschreitet, sagte sie nicht.