Cornelia Petzold-Schick ist Oberbürgermeisterin in Bruchsal Foto: Stadt Bruchsal

Es gibt zu wenige Bürgermeisterinnen im Land, findet der baden-württembergische Städtetag. Wie mit einem neuen Projekt Abhilfe geschaffen werden soll.

Thomas, Michael oder eine Frau? Die Wahrscheinlichkeit, dass der Chef eines Rathauses in Baden-Württemberg einen dieser Vornamen trägt, ist etwa so hoch, wie dass eine Frau an der Spitze steht. In deutschen Großstädten gibt es mehr Oberbürgermeister, die Thomas heißen, als Frauen in diesen Positionen. In Baden-Württemberg zählen die Experten des Statistischen Landesamts gegenwärtig 96 Bürgermeisterinnen und jeweils 43 Bürgermeister, die entweder Thomas oder Michael heißen.

Von den 1101 Gemeinden im Südwesten sind 107 so groß, dass sie Oberbürgermeister haben. Oberbürgermeisterinnen gibt es sechs: in Bruchsal, Fellbach, Kornwestheim, Metzingen, Schramberg und in Stutensee.

Elfmal so viele Männer wie Frauen an der Spitze

In relativen Zahlen beträgt der Frauenanteil unter den baden-württembergischen Bürgermeistern 8,7 Prozent, damit etwas mehr als 2020. Da gab es etwa 80 Frauen auf den Chefsesseln im Rathaus. 1994 standen vier Frauen an der Spitze eines Rathauses im Südwesten, 20 Jahre später vermeldete der Gemeindetag 53 Bürgermeisterinnen.

Der Städtetag will nun die schlechte Frauenquote aufbessern. „Ich kann das! – Bürgermeisterinnentalente gesucht“, heißt das Projekt, mit dem der Städtetag das Interesse von Frauen wecken und sie zur Kandidatur animieren möchte. Es soll mit einer Kampagne starten, in der Bürgermeisterinnen – aber auch Kandidatinnen, die nicht gewählt wurden – über ihre Erfahrungen sprechen, wie eine Sprecherin des Städtetags auf Anfrage erklärte. Sie sollen als Vorbilder fungieren und auf das Amt neugierig machen.

Frauen als Vorbilder

Mit dabei ist Cornelia Petzold-Schick, die Oberbürgermeisterin von Bruchsal. Sie gehört zu den Vordenkerinnen des Projekts und meint, es sei höchste Zeit, dass mehr Frauen sich trauen, für das kommunale Spitzenamt anzutreten. Zwar steigt die Zahl der Bürgermeisterinnen im Südwesten langsam, aber Petzold-Schick konstatiert:, „Strukturell hat sich noch nicht viel verändert“. Deshalb wolle man die Imagekampagne starten. Für die erfahrene Verwaltungschefin ist es wichtig, dass Frauen in die Führungspositionen kommen. Das ziehe andere Frauen nach. „Wo schon Frauen sind, fällt es anderen leichter, sich auch dafür zu entscheiden“, sagt sie. Oder andersrum: „Dadurch, dass wir nicht mehr werden, führt das bei Frauen zu Zweifeln.“

Einfach ist es nach wie vor nicht, sagt Petzold-Schick, die seit 13 Jahren im Amt ist. „Viele Strukturen sind noch sehr männlich geprägt“, weiß sie aus Erfahrung. Einige der Bürgermeisterinnen im Land treten nach acht Jahren nicht mehr für eine zweite Amtszeit an. In Kornwestheim verzichtet die Oberbürgermeisterin nun auf eine dritte Amtszeit.

Gute Wahlchancen für Frauen

Mit der Kampagne wollen Amtsträgerinnen wie Petzold-Schick anderen Frauen Mut machen, zu kandidieren. Denn Frauen, die antreten, haben gute Chancen, gewählt zu werden. Jede dritte Bewerberin war laut Statistik mit ihrer Kandidatur erfolgreich.

Aber Frauen stellen sich eben nur selten zur Wahl. 9,2 Prozent aller Bewerber sind laut Statistik weiblich. An den Verwaltungshochschulen des Landes jedoch machen Frauen drei Viertel der Studierenden aus, bei den Beschäftigten in den Kommunen sind es zwei Drittel.

Amt als Lebensaufgabe

Man muss das Amt wollen, meint Petzold-Schick. Es ist anspruchsvoll: „Es ist eine partielle Lebensaufgabe“. Es kostet „Kraft, Energie und Zeit“, sagt die Oberbürgermeisterin, aber es biete „eine hohe Gestaltungsmacht, sinnhaftes Arbeiten und eine hohe Selbstwirksamkeit“. Die Bruchsaler Rathauschefin will in der Kampagne im direkten Gespräch mit Interessentinnen ihre Erfahrungen vermitteln. Ihr persönliches Ziel: In zwei Jahren soll die Frauenquote bei 15 Prozent liegen.

Der Start ist voraussichtlich im Jahr 2023. Neben den Erfahrungsberichten soll im Internet eine eigene Plattform eingerichtet werden. Eigene Seminare sind nicht vorgesehen. Der Städtetag wolle mit politischen Stiftungen und den Verwaltungshochschulen eng zusammenarbeiten, denn es sollten keine Parallelangebote geschaffen werden, lässt Städtetagsgeschäftsführer Ralf Broß ausrichten.

Landtag befürwortet das Projekt

Hinter das Projekt stellen sich auch die Regierungsfraktionen im Landtag. Das Land will im kommenden Jahr 100 000 Euro in das Projekt fließen lassen. Stefanie Seemann (Grüne) sagte unserer Zeitung: „Acht Prozent Frauenanteil ist zu wenig. Wir wollen mehr Frauen Mut machen, sich für kommunale Ämter und Gremien zu bewerben.“

Isabell Huber (CDU) bekräftigt: „Frauen für das Spitzenamt einer Kommune zu gewinnen ist für uns ein wichtiges Ziel.“ Mit dem Projekt wolle man „Frauen auf ihrem Weg ins Bürgermeisteramt unterstützen“.