Ein Soldat der syrischen Armee hält eine Nationalflagge seines Landes in Ost-Aleppo hoch. Foto: AP

Neue Wendung im Drama um Aleppo: Nach einer zerbröckelten Waffenruhe und entfesselter Gewalt melden Rebellengruppen, dass die Feuerpause gerettet sei. Am Donnerstagmorgen soll der Abzug aus den letzten verbliebenen Gebieten der Aufständischen in Ost-Aleppo beginnen.

Beirut - Nach der geplatzten Feuerpause für Aleppo gibt es neue Hoffnung auf eine Entspannung. Die Aufständischen haben am Mittwoch ein neues Waffenstillstandsabkommen verkündet. Für Donnerstagmorgen sei der Abzug aus den in ihrer Kontrolle verbliebenen Gebieten im Osten der nordsyrischen Stadt geplant, erklärten Sprecher dreier Rebellengruppen. Doch auch nach dem Inkrafttreten der Feuerpause um 23:30 Uhr (Ortszeit) gab es Berichte über weitere Bombardements von Rebellenenklaven in Ost-Aleppo.

Auf das Gebiet hatten die Truppen von Präsident Baschar al-Assad und deren Verbündeten vor Wochen eine groß angelegte Offensive gestartet und die Rebellen auf ein kleines Territorium zurückgedrängt. Am Mittwochmorgen sollte eigentlich die Evakuierung von Aufständischen und Verletzten aus der Gegend in Ost-Aleppo beginnen. Ausgehandelt wurde der Deal von der Türkei als Unterstützerin der Rebellen sowie Russland als wichtigstem Partner der Assad-Regierung.

Doch ging die Gewalt weiter, erst mit Bombardements der Rebellenklave und dann nach Aktivistenangaben mit Luftangriffen. Die Aufständischen reagierten mit Beschuss der von der Regierung gehaltenen Dörfer Foua und Kfraja in der Provinz Idlib und brachten an einer Frontlinie eine Autobombe zur Detonation.

Bewohner, Aktivisten und medizinische Hilfskräfte berichteten von Chaos in dem winzigen Gebiet, das sich noch unter Kontrolle der Opposition befindet. Auf Videos aus dem Kampfgebiet war der Lärm von Explosion zu hören. Der Aktivist Mahmud Raslan aus Aleppo sagte: „Sie haben mit den Angriffen begonnen, als gebe es so etwas wie eine Waffenruhe oder eine Evakuierung von Zivilisten gar nicht. Sie haben angekündigt, dass sie uns alle töten werden.“

Rebellen warfen der syrischen Regierung und deren Verbündete vor, das Abkommen zum Scheitern zu bringen, indem sie neue Bedingungen stellten. Dazu gehöre deren Forderung, dass die Belagerung zweier regierungstreuer schiitischer Dörfer nahe der Provinz Idlib gestoppt werde.

Stunden später erklärten drei Sprecher der Aufständischen indes, dass die Feuerpause wieder in Kraft sei. Am Donnerstagmorgen würde eine erste Gruppe von Verletzten aus Aleppo gebracht. Dann würden Aufständische folgen. Die Bedingungen des Abkommens hätten sich nicht geändert. Mit Russland habe man sich sogar auf die genaue Zahl der Busse und Konvois für die Evakuierungen geeinigt, erklärten die Sprecher der Gruppen.

Internationale Diplomatie auf den Plan gerufen

Die Medien des syrischen Militärs bestritten eine Einigung. Vielmehr seien die Verhandlungen „kompliziert.“

Das Drama um Aleppo hat bereits die internationale Diplomatie auf den Plan gerufen. Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu und sein russischer Kollege Sergej Lawrow berieten sich telefonisch. Auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und sein russischer Kollege Wladimir Putin sprachen über die Lage.

Später kündigte Ankara einen gemeinsamen Syrien-Gipfel mit Russland und dem Iran an. Ziel der Zusammenkunft am 27. Dezember in Moskau sei eine politische Lösung und eine Waffenruhe für das ganze Land, sagte Cavusoglu dem Sender TGRT.

Der seit nunmehr über vier Jahren tobende Kampf um Aleppo ist zu einem Symbol für den gesamten Bürgerkrieg geworden. Die vollständige Eroberung der einstigen Handelsmetropole durch Assads Truppen würde eine Wende in dem Konflikt markieren: So gut wie alle Großstädte des Landes wären dann unter dessen Kontrolle.