Russland fliegt von Militärbasen in Syrien aus Angriffe gegen den IS. Foto: dpa

Russland will das Regime von Baschar al-Assad vor Aleppo mit Luftschlägen aktiv unterstützen. Sollte die Rückeroberung Aleppos gelingen, bekäme der syrische Diktator eine Trumpfkarte in die Hand.

Kairo - Sergej Lawrow ließ die Katze aus dem Sack. „Wir werden die syrische Armee vor Aleppo aktiv aus der Luft unterstützen“, kündigte Russlands Außenminister an. Man habe lange genug gewartet und die Amerikaner rechtzeitig gewarnt. Die neuerlichen russischen Luftangriffe sollten also „niemanden überraschen“. Washington habe bislang gebeten, die Militäraktionen aufzuschieben, damit sich die moderaten Rebellen von den Dschihadisten der Nusra-Front und des „Islamischen Staates“ absetzen könnten. „Wir glauben, dazu gab es mehr als genug Zeit“, sagte Lawrow und erklärte, man werde künftig agieren, „entsprechend unserer Sicht der Dinge vor Ort“.

In Aleppo wird hart gekämpft

Denn Damaskus und Moskau haben ihren strategischen Masterplan, den von Rebellen gehaltenen Ostteil Aleppos zu umzingeln und zurückzuerobern, keineswegs aufgegeben. Seit dem Wochenende wird in der nordsyrischen Metropole wieder heftig gekämpft. Der Think Tank „Institute for the Study of War“ registrierte einen „dramatischen Anstieg“ russischer Luftangriffe, die allein in Aleppo 53 Menschenleben forderten. Regime-Hubschrauber warfen die gefürchteten Fassbomben ab, während in Moskau über zusätzliche russische Bodentruppen spekuliert wird. Denn sollte Baschar al-Assad eine Rückeroberung Aleppos gelingen, bekäme der Diktator eine Trumpfkarte in die Hand. Die moderate Opposition im Westen Syriens wäre entscheidend geschwächt und die Verhandlungen in Genf am Ende. „Wir werden jeden Meter syrischen Bodens befreien. Es gibt keine Alternative zum Sieg“, deklamierte Assad am Dienstag auf der konstituierenden Sitzung des neuen syrischen Parlaments. Die militärische Lage sei „wesentlich besser als noch vor einigen Monaten“, prahlte er.

Auch der IS ist Ziel der Angriffe

Um Aleppo als das zentrale strategische Ziel wenigstens etwas zu verschleiern, greift die syrische Armee in diesen Tagen gleichzeitig auch den „Islamischen Staat“ an. Erstmals seit zwei Jahren drangen Assads Soldaten, unterstützt von russischen Luftschlägen, in das Territorium der Provinz Raqqa ein, wo sich die IS-Zentrale in Syrien befindet. Nach der Schlacht um Palmyra im März ist dies die zweite direkte Offensive des Regimes gegen die Kalifatskrieger. Diesmal ziehen Assad-Truppen gen Tabqa, der Stadt in der Nähe des größten syrischen Wasserkraftwerks am Euphrat. Mit dem aufgestauten Assad-See wird Strom erzeugt - auch für das 40 Kilometer entfernte Raqqa. Gleichzeitig nähern sich der IS-Hauptstadt von Norden her arabisch-kurdische Einheiten der so genannten syrisch-demokratischen Streitkräfte, die von US-Spezialeinheiten und US-Kampfjets unterstützt werden. Von drei Seiten kesselten sie die Stadt Manbij am anderen Ende des Assad-Sees ein, um die wichtigste Nachschubverbindung des IS in die Türkei zu kappen. Nach Augenzeugenberichten fliehen die Menschen inzwischen zu tausenden aus ihren Vierteln.

Die Kampfmoral des IS ist angeknackst

Manbij war zentraler Anlaufpunkt für neue IS-Rekruten und vermutlich der Ort, an dem die Terrormiliz ihre Mordtaten in Europa plante. Der Kopf der Pariser Attentäter, Abdelhamid Abaaoud, soll sich in der 80 000-Einwohner-Stadt aufgehalten haben. Mitglieder der so genannten Lohberger Brigade aus Dinslaken arbeiteten in Manbij in einem IS-Foltergefängnis. Inzwischen jedoch scheint die Kampfmoral der Dschihadisten angeknackst. Nach Angaben des US-Geheimdienstes ist die Zahl der aktiven Krieger in Syrien und Irak um 10 000 auf etwa 25.000 gesunken. Zudem häufen sich Berichte über Desertionen und Hinrichtungen von angeblichen Spionen in den eigenen Reihen, nachdem zahlreiche führende IS-Kommandeure durch US-Drohnen getötet wurden.