Dass Arbeitsminister Heil eine Sanktion einführt, zeigt: Sein idealistischer Bürgergeld-Ansatz ist an der Wirklichkeit zerschellt, kommentiert Bernhard Walker.
Der Mann ist Sozialdemokrat durch und durch. Somit weiß Arbeitsminister Hubertus Heil nur zu gut, wie sehr und wie lange seine Partei mit Mitgliederverlusten und miesen Wahlergebnissen unter ihrer Hartz IV-Politik gelitten hat. Umso mehr stellt sich die Frage, warum nun ausgerechnet Heil an das anknüpft, was die SPD hinter sich lassen wollte.
Die Antwort lautet: Weil der Minister ein Getriebener ist. Als die Ampel im Herbst 2022 auf Wunsch der SPD Hartz IV durch das Bürgergeld ersetzte, sprach er hochtrabend davon, dass er die größte Sozialreform seit Langem geschafft habe. Die Hilfe für Bürger, die ihren Lebensunterhalt nicht durch eigene Arbeit aufbringen können, sollte fairer, gerechter und auf „Augenhöhe“ zwischen dem Jobcenter und dessen Kunden ablaufen. Es stimmt: Die Sanktionen wollte Heil im Gegensatz zu den Grünen nie ganz aufgeben. Das Bürgergeld war also nie ein bedingungsloses Grundeinkommen. Aber das Strenge, das Fordern, sprich: den Kern von Hartz IV, stellte Heil damals gerade nicht in den Mittelpunkt.
SPD ist eine politische Kraft, die sich für Arbeitnehmer einsetzt
Vielmehr setzte Heil mit Zustimmung übrigens der CDU/CSU einen neuen Modus für die Erhöhungen des Bürgergelds durch. Die Folge: Diese Sozialleistung stieg 2023 und 2024 jeweils um etwa zwölf Prozent. Beim Mindestlohn jedoch gab es zu Jahresbeginn nur ein Mini-Plus von 41 Cent auf 12,41 Euro. Daran kann die Regierung nichts ändern, weil eine externe Kommission festlegt, wie der Mindestlohn steigt. Politisch ist das Ganze für Heil und die SPD trotzdem ein Problem – und zwar ein gewaltiges. Denn nun steht die Frage im Raum, ob sich Arbeit überhaupt noch lohnt.
Diese Lage muss Sozialdemokraten natürlich nervös machen. Sie verstehen sich seit mehr als 150 Jahren ja nicht als Partei, eine möglichst großzügig Fürsorge für Menschen ohne Job ausschüttet, sondern als eine politische Kraft, die sich für Arbeitnehmer einsetzt. Zu der Nervosität trägt bei, dass die Flüchtlinge aus der Ukraine Anspruch auf Bürgergeld haben. In dieser Gruppe hat aber nur jeder Fünfte einen Job.
„Es gibt kein Recht auf Faulheit in dieser Gesellschaft“
Deshalb hat Heil im Herbst für die Geflüchteten einen „Job-Turbo“ eingelegt. Und deshalb will er nun denen, die wiederholt ein Jobangebot ablehnen, für zwei Monate das Bürgergeld ganz streichen. Ja, es gibt nur wenige dieser so genannten Totalverweigerer. Die Zahl jedoch ist nicht der springende Punkt – sondern die Tatsache, dass diese Sanktion wichtig ist. Alles andere wäre unfair gegenüber denen, die arbeiten gehen und mit ihren Steuern das Bürgergeld aufbringen.
Dass Heil die Sanktion einführt, zeigt, dass sein idealistischer Bürgergeld-Ansatz aus dem Jahr 2022 an der Wirklichkeit zerschellt ist. Jetzt schwebt wieder der Geist von Hartz IV über Berlin. Denn wie sagte im Jahr 2001 der Hartz IV-Kanzler Gerhard Schröder unter großem Beifall vieler SPD-Anhänger: „Es gibt kein Recht auf Faulheit in dieser Gesellschaft.“
Allerdings muss Heil erst einmal eine Ampel-Mehrheit für seine Kehrtwende finden. Die FDP steht an seiner Seite – nicht aber die Grünen und Genossen vom linken SPD-Flügel. Und das ist keineswegs seine einzige Aufgabe.
Aus Heil, dem Getriebenen, muss Heil, der Reformer werden
Denn an der Grenze zwischen Bürgergeld und niedrigen Einkommen gibt es so viele komplizierte Förderungen, Zuschüsse und Hilfen, dass selbst Fachleute kaum noch durchblicken. Den Wirrwarr muss Heil dringend aufräumen, damit diejenigen, die erwerbstätig sind, immer mehr haben als Menschen, die Bürgergeld oder Bürgergeld und andere Zahlungen wie beispielsweise das Wohngeld bekommen. Aus Heil, dem Getriebenen, muss Heil, der Reformer werden, der ganz traditionell sozialdemokratische Politik macht – der also dafür eintritt, dass sich Arbeit lohnt.