Etwa 50 Besucher erleben live die Veranstaltung in der Stadthalle, viele mehr sind online zugeschaltet.Foto: Giacinto Carlucci Foto:  

Bei einer letzten Debatte vor der Abstimmung machen Gegner und Befürworter des Gewerbeparks ihre Positionen deutlich. Der Bürgermeister erteilt dabei einem Logistikzentrum eine Absage.

Donzdorf - Der Countdown läuft. Am nächsten Sonntag stimmen die Donzdorfer über die Zukunft des Gewerbeparks Lautertal ab. In der letzten großen Informationsveranstaltung kamen Kritiker und Befürworter zu Wort und beantworteten Fragen aus dem Publikum und dem Netz.

Martin Stölzle ist als erster dran. Der Bürgermeister will den Gewerbepark. Vorneweg wendet er sich auch an die Gegner: Alle, Kritiker und Befürworter des Projekts, „haben das Wohl Donzdorfs im Blick“, sagt er. „Trotz aller gegensätzlichen Meinung sind wir alle Donzdorfer.“

Dann plädiert er für den Gewerbepark: „Ich möchte, dass wir die Grundvoraussetzungen für den Gewerbepark schaffen. Der solle dann „gemeinsam“ weiter geplant werden. Und dann gibt er eine Art Versprechen ab: Es würden keine riesigen Logistikzentren angesiedelt, „da werden wir Sie nicht enttäuschen“. Das sagt er auch im Hinblick auf einen am Donnerstag in der Lokalzeitung erschienenen Leserbrief, in dem von einem „24 Hektar großen Logistikzentrum eines international bekannten Onlinehändlers“ die Rede ist, das im Gewerbepark entstehen solle. „Das ist schlichtweg Unsinn“, sagt Stölzle.

Flächenversiegelung, aber neue Arbeitsplätze

Dann ist er bei den Finanzen der Stadt, spricht über die seit Jahren geringe Steuerkraft. Und über die hohe Auspendlerquote, darüber, dass die Einwohner der Stadt immer älter werden und die Zahl der jüngeren Einwohner immer kleiner werde und über die geschlossenen Läden in der Innenstadt. Das alles soll und könne besser werden mit dem Gewerbepark: „Der Gewerbepark ist eine Chance für unsere Stadt, wir wollen ein innovatives Gewerbegebiet“, sagt er. „Ja, das bedeutet Flächenversiegelung und Verlust von landwirtschaftlicher Fläche.“ Dafür gebe es neue Arbeitsplätze – und damit verbunden neue Einwohner mit Kindern – und neue Einnahmequellen für die Gemeinde. Die könne Donzdorf bei den anstehenden Aufgaben – vom Neubau des Feuerwehrmagazins bis zur Sanierung der Stadthalle – gut brauchen.

An die Finanzen knüpft Nadja Müller an. Müller ist eine der Gründerinnen und Macherinnen der Bürgerinitiative „Kein Gewerbepark Lautertal“, die den Bürgerentscheid angestoßen hat. „Das Thema Finanzen ist in den letzten Monaten in den Fokus gerückt“, sagt sie und gibt an Dr. Thilo Sekol weiter.

Rechnet sich ein Gewerbegebiet?

Sekol kommt aus dem nordbadischen Hirschberg, hat schon ein Buch über die dortige Kommunalpolitik geschrieben und sagt, dass in Deutschland bereits seit den 1970er Jahren klar sei, dass es unsinnig ist, in die Fläche zu gehen. Gewerbegebiete brächten nicht zwangsläufig mehr Geld für die Gemeinde, schon gar nicht, wenn man sich die Wirtschaftlichkeit breiter ansehe. Denn wenn sich wirklich mehr Einwohner in einer Kommune niederließen, stiegen auch die Kosten. Für mehr Kindergartenplätze, für eine größere Verwaltung. Und dann rechnet er vor: Von einer Million Euro Mehreinnahmen an Gewerbesteuern pro Jahr blieben abzüglich aller Kosten, notwendiger Ausgleichszahlungen und Rücklagen letztlich rund 150  000 Euro übrig, die dann unter den vier am Gewerbepark beteiligten Städten und Gemeinden aufgeteilt würden. In Donzdorf blieben dann nur gut 60 000 Euro pro Jahr hängen, denn: „Einnahmen sind nicht gleich Ertrag.“ Und mit Blick auf das städtische Miteinander sagt er: „Wenn eine Bürgerinitiative entsteht, ist schon was schiefgelaufen. Setzen Sie sich zusammen“, fordert er die Beteiligten auf. Dann ist das Publikum im Saal und – durch Live-Übertragung zugeschaltet – im Internet dran und fragt.

Armin Koch, Vorsitzender des Handel- und Gewerbevereins und FDP-Stadtrat, richtet sie an die Gegner des Gewerbeparks. Ein Donzdorfer Unternehmen mit 74 Mitarbeitern wolle im Gewerbepark neu bauen. Wenn das interkommunale Gewerbegebiet nicht komme, werde es wohl nach Böhmenkirch oder ins Remstal umziehen. „Wie wollen Sie eine solche Abwanderung verhindern?“

Der Verkehr und die Feinstaubbelastung

Zwischen Müller und Sekol sitzt Simone Flohr auf der Bühne in der Stadthalle, wie Müller eine der Sprecherinnen der Bürgerinitiative. „Es sind noch Flächen vorhanden“, sagt Flohr. Und man müsse auch „Flächenrecycling“ betreiben, also leerstehende Gewerbeflächen neu nutzen, „um vom Flächenfraß wegzukommen“. „Das ist falsch“, sagt Stölzle, es gebe, von einer Ausnahme abgesehen, keine frei verkaufbaren Gewerbeflächen in der Stadt.

Auch das Thema Verkehr treibt die Fragesteller um, sie fragen, ob die bestehende B 466 und der Kreisel an der westlichen Ortseinfahrt auch für den Gewerbepark reichen. Wenn täglich 1500 bis 2000 Einpendler kommen, reiche das wohl nicht mehr, meint Flohr. Schon jetzt sei es zu Stoßzeiten am Kreisel eng. Zu den neuen Einpendlern komme noch der Lieferverkehr ins neue Gewerbegebiet. Außerdem sei die Feinstaubbelastung rund um die B 466 jetzt schon zu hoch.

Ein Mobilitätskonzept werde entwickelt, sagt dagegen der Bürgermeister: „Wir gehen davon aus, dass nicht alle 1500 Mitarbeiter des Gebiets mit dem Auto kommen.“ Er setzt aufs Rad und auch auf die Schiene: Es gebe die Idee, einen Buspendeldienst vom Gewerbepark zum Bahnhof in Süßen einzuführen.

Vom Wert des Ackerbodens

Für Sekol ist das Thema Verkehr ein klassisches Beispiel, das oft erst am Schluss bedacht werde. „Wer zahlt den öffentlichen Nahverkehr, ist das in den Kosten berücksichtigt?“, fragt er. Die Mobilität rund um solche Gebiete müsse im Vorfeld geklärt werden. „Machen wir“, sagt Stölzle. Jetzt befinde man sich in einer frühen Phase, nicht in der konkreten Planung: „Gutachten dazu werden vorbereitet.“

Dann geht es um den Ackerboden in dem Gebiet, der sei sehr wertvoll, bestätigt Stadtbiologe Georg Krause. 20 Zentimeter Ackerboden brauchen 4000 Jahre zur Entstehung, sagt Flohr. Weltweit gebe es für immer mehr Menschen immer weniger Ackerland, von irgendwas müsse sich der Mensch ernähren, stellt eine Frau in der Stadthalle fest und erntet dafür den einzigen Szenenapplaus des Abends.

Auch am Informationsverhalten der Stadt gibt es Kritik, da sei zu wenig getan worden. Allerdings gibt es auch andere Stimmen: Gemeinderatssitzungen würden kaum bis gar nicht besucht, dort werde alles öffentlich besprochen, sagt einer aus dem Publikum im Saal, der selbst regelmäßig – nicht selten allein – Ratssitzungen in Süßen und darüber hinaus manchmal in Donzdorf besucht.