In Reichenbach wurden an mehreren Stellen Videokameras angebracht. Foto: /Karin Ait Atmane

Donnerschläge in der Nacht rauben den Reichenbachern den Schlaf. Unter ihnen geht die Sorge um, dass die Kriminalität in der Gemeinde bedenklich zugenommen habe. Die Polizei verneint das. Dennoch hat man erste Sicherheitsmaßnahmen ergriffen.

Um die Nachtruhe in der Reichenbacher Ortsmitte ist es nicht gut bestellt. Oft schrecken die Bewohnerinnen und Bewohner von lauten Krachern und explosionsartigen Donnerschlägen aus dem Schlaf auf. „Wir können kein Fenster mehr aufmachen in der Nacht“, klagte ein Betroffener kürzlich in der Bürgerfragestunde des Gemeinderats. Seine Familie und seine Nachbarn, die teilweise ebenfalls im Ratssaal präsent waren, fühlten sich nicht mehr sicher im Ort.

 

Beschädigte Autos, Vermüllung, eine Brandserie, Schüsse, ein Überfall, ein Exhibitionist und nächtlicher Radau – all das ist in Reichenbach in jüngerer Zeit passiert, was der vorsprechende Bürger als Zeichen einer zunehmenden Kriminalität in der Gemeinde wertete. Auch die SPD sprach später die Situation an und forderte, „dem Treiben Einhalt zu bieten“ und einen Bericht über die Sicherheitslage in der Gemeinde.

Reichenbach liege auf einer der „Achsen“ der rivalisierenden Clans

„Wir haben schon eine Massierung der Probleme gerade“, bestätigte Bürgermeister Bernhard Richter. Dennoch sei es wichtig, zu differenzieren: Ein Teil der Taten – wie beispielsweise die Schüsse und ein Brandanschlag auf ein Gebäude – gehe auf rivalisierende Clans zurück, die in der ganzen Region aktiv seien. Sie seien nicht in Reichenbach ansässig, die Gemeinde liege einfach auf einer ihrer „Achsen“. Die nächtlichen Ruhestörungen hätten damit nichts zu tun. Diese schreibt der Bürgermeister, der in regelmäßigem Kontakt mit der Polizei steht, Jugendlichen zu, vor allem von außerhalb der Gemeinde. Lutz Jaschke, einer der Pressesprecher des Polizeipräsidiums Reutlingen, bestätigt: Die „gruppenbezogene subkulturelle Gewaltkriminalität im Großraum Stuttgart“ müsse „gesondert von der lokalen Kriminalitätslage in Reichenbach“ betrachtet werden. Dort sei derzeit insgesamt „kein Kriminalitätsschwerpunkt auszumachen“.

Eine Herausforderung ist die Situation trotzdem. „Wir schauen, welche Maßnahmen wir ergreifen können“, versicherte Richter. So habe man Videokameras angebracht, wo es erlaubt sei, und werte die Aufnahmen auch aus. Das liefere durchaus Hinweise. Zudem kämen deutlich mehr Polizeistreifen in Reichenbach vorbei. Das werde man vorläufig beibehalten. Er sei auch „im Gespräch mit der Polizei darüber, ob wir mit dauerhaften Platzverweisen arbeiten können“, so der Bürgermeister.

Bürgermeister von Reichenbach bittet Einwohner um Mitarbeit

Richter wies ferne auf die Zuständigkeiten hin. Diese liege ausschließlich bei der Polizei. Die Gemeinde, Sicherheitsdienste oder Bürgerwehren hätten in diesem Bereich keine Befugnisse. Umso wichtiger sei es, die Polizei zu rufen und Meldung zu machen, wenn man Taten mitbekomme. Augenzeugen seien gefragt, um die Täter zu identifizieren. Nur so komme man weiter und könne gleichzeitig etwas gegen die „Verrohung in der Gesellschaft“ tun. „Da ist jeder aufgefordert, gegenzusteuern.“ Was gemeldet werde, werde verfolgt, auch über die Kreisgrenze hinweg, wie der Sprecher des Polizeipräsidiums Reutlingen versichert.

Die Betroffenen in der Bürgerfragestunde hatten die Befürchtung geäußert, dass Polizisten aus dem Kreis Esslingen womöglich nicht in Ebersbach aktiv werden dürfen. Dem sei nicht so, es gebe keine Probleme bei den Zuständigkeiten oder der Zusammenarbeit, betonte Richter.