Friedhöfe sind Orte der Ruhe. Jörg Becker sieht das derzeit anders. Foto: Weingand

Jörg Becker fühlt sich vom Friedhofsamt über den „Tisch gezogen“. Er schwört Stein und Bein, dass er keinen Bestattungsauftrag für seinen toten Bruder erteilt hat. Die Behörde sieht das ganz anders.

Fasanenhof - Jörg Becker hat Ende März 2012 seinen Augen nicht getraut. Damals fand er ein Schreiben des städtischen Friedhofsamts im Briefkasten. In diesem wurde er aufgefordert, Beerdigungskosten in Höhe von 1091,32 Euro für seinen Bruder zu begleichen. „Ich habe keinen Auftrag für diese Bestattung gegeben“, sagt der Fasanenhofer. Das städtische Friedhofsamt ist da anderer Meinung. Seit fast anderthalb Jahren dauert der Streit an, mehrere Schreiben wurden hin- und hergeschickt.

Auslöser war ein Gespräch am 5. Dezember 2011. Jörg Becker hatte gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin einen Mitarbeiter des Friedhofsamts aufgesucht, um mit diesem über die Beerdigung seines Bruders zu sprechen, der am Tag zuvor im Stuttgarter Osten verstorben war. „Ich habe ihm gesagt, dass ich Hartz IV beziehe, keine Rücklagen habe und mich in einer Privatinsolvenz befinde“, sagt Becker. Er habe sich lediglich um die Bestattung kümmern wollen. Daher hakte er auch nach, als der Mann vom Bestattungsdienst eine Unterschrift von ihm haben wollte: „Da hieß es dann, man brauche nur einen Ansprechpartner.“

Eine oder zwei Unterschriften?

Becker schwört Stein und Bein, dass er keinen Auftrag erteilt hat: „Meine Lebensgefährtin hätte mir da auch auf die Finger geklopft“, sagt Becker. Schließlich habe er zu dieser Zeit keine solchen Aufträge vergeben dürfen. So fiel der Fasanenhofer aus allen Wolken, als er Monate nach dem Termin Post erhielt.

Auch Volker Schirner, Leiter des Garten-, Friedhofs- und Forstamts, kennt den Fall: „In erster Linie tut mir so etwas leid.“ Er verweist aber darauf, dass ihm zwei Unterschriften Beckers vorliegen. Sie stammen jeweils vom 5. Dezember. Einmal bestätigt Becker damit die Kostenübernahme, ein anderes Mal den Leistungsumfang, sprich die Art der Bestattung. „Ich kann daher nicht erkennen, dass da etwas falsch gelaufen ist“, sagt Schirner. Für Becker stellt sich die Lage ganz anders da: „Ich habe nur eine Unterschrift geleistet – tausendprozentig.“ Das bestätigt auch seine Lebensgefährtin. Becker verweist auch auf die Rechnungen, die er Ende März erhalten hat. Dort ist unter der Aufstellung der einzelnen Kostenpunkte das Feld leer, in dem die Unterschrift des Auftraggebers, also seine eigene, stehen müsste. Becker fühlt sich daher von der Verwaltung „über den Tisch gezogen“. Er hat auch bereits eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Mitarbeiter eingereicht. Dessen Vorgesetzter hat diese aber zurückgewiesen. Er habe den Kollegen bisher als „sehr kundenfreundlich und problemlösungsorientiert erlebt“, heißt es in einem Schreiben. Es sei bisher auch noch nie eine solche Beschwerde gegen einen Mitarbeiter des Bestattungsdienstes erhoben worden.

Zwei Söhne des Verstorbenen sind noch nicht ermittelt

Maßlos ärgert Becker auch, dass es bislang noch nicht gelungen ist, die Söhne des Verstorbenen ausfindig zu machen. Sie müssten in erster Linie die Kosten für die Beerdigung tragen. So habe er bereits Anfang 2012 von einem Mitarbeiter des Ordnungsamts erfahren, dass die Adressen vorliegen. Die Daten eines Sohnes, der in Stuttgart lebt, habe er sogar an das Friedhofsamt weitergeleitet, sagt Becker.

Letzteres bestätigt Stefan Braun, der stellvertretende Leiter der Abteilung Friedhöfe: „Da ist das Verfahren am Laufen.“ Die anderen beiden Söhne seien aber noch nicht ermittelt. Braun verweist darauf, dass der Fall nicht die „höchste Priorität“ gehabt und man aus Personalsicht ein „hartes Jahr“ hinter sich habe.

Die Angelegenheit liegt bis zur endgültigen Klärung ohnehin auf Eis. Die Stadt hat bei Becker eine Mahnsperre für den Gebührenbescheid eintragen lassen „Da passiert nichts“, sagt Braun. Zwar will sich der Stadtmitarbeiter auf kein „Enddatum“ festlegen lassen. Er geht aber davon aus, dass Mitte kommenden Jahres klar ist, wer die Kosten begleichen muss.

Zwar könne man es sich einfach machen und Jörg Becker in die Pflicht nehmen, sagt Braun. Dann müsste sich dieser aber das Geld von den Söhnen seines Bruders womöglich auf gerichtlichem Weg erstreiten: „Das wollen wir der Familie aber ersparen.“ Für Becker ist die Geschichte mittlerweile eine „üble Farce“. Das hat er dem Amt auch in einem der bislang letzten Schreiben mitgeteilt. Auch über die Auskunft des Friedhofsamts, dass sein Bruder am 16. August 2012 in einem anonymen Urnenfeld auf dem Pragfriedhof beigesetzt wurde, kann er nur den Kopf schütteln. „Meine minderjährige Nichte hat mir versichert, dass mein Bruder in der Grabstätte ihres Onkels auf dem Gaisburg-Friedhof bestattet wurde.“ Amtsleiter Schirner hält das für ausgeschlossen.