Handwerker, Jäger und Sportschützen: Tim Merkle und Vater Ralf Foto: Caroline Holowiecki

Das Büchsenmacherhandwerk blickt auf eine jahrhundertelange Tradition zurück. Die Branche beklagt, dennoch ständiger Kritik ausgesetzt zu sein. Was genau tut eigentlich ein Büchsenmacher? Ein Besuch bei Merkle Tuning in Backnang.

Mit einem beherzten Griff zieht Tim Merkle den Hebel mit dem rechten Arm herunter – und wäre er in Las Vegas, würden jetzt die Münzen purzeln. Bei Merkle Tuning in Backnang geht es allerdings nicht ums Geldgewinnen: Tim Merkle stellt in der Büchsenmacherwerkstatt scharfe Munition her. Aus einem Rohr kommen die Messinghülsen, aus dem anderen das Nitrozellulosepulver, das eingefüllt wird. Zum Schluss setzt Tim Merkle noch ein Geschoss obendrauf und presst mit seinem einarmigen Banditen alles zusammen. „Topschützen machen ihre Munition selber und stimmen sie auf ihre Waffe ab“, erklärt er. Immerhin gehe es im Spitzensport um Präzision.

Alles wird manuell gemacht

Bei Merkle Tuning sieht es aus wie in einer klassischen Metallwerkstatt – abgesehen von den vielen Medaillen, die von sportlichen Erfolgen von Tim Merkle und dessen Vater Ralf zeugen. Wuchtige Fräs-, Schleif- und Drehmaschinen stehen im Raum. Unter den Werkbänken, wo die 31- und 59-jährigen Männer an klitzekleinen Schräubchchen und Rädchen im Inneren von Waffen drehen, dösen die Jagdhunde Wanja und Kanndy. Tim Merkle betont: Hier wird alles manuell gemacht, selbst das Fräsen einzelner Pistolenteile aus Stahl. Sportwaffen werden zudem individuell im Rahmen der Sportordnung modifiziert.

Tim Merkle hat seinen Standardrevolver von Smith & Wesson mit einem Stahlgewicht im Schwarz-Rot-Gold-Look und einer Griffbeschichtung aus glitzerndem Siliciumcarbid versehen. „Das ist wie bei AMG“, sagt Ralf Merkle. Seit 1999 sitzt die Werkstatt auf dem alten Backnanger Spinnereigelände, tatsächlich ist der Betrieb aber älter. Tim Merkles Uropa hat ihn 1922 gegründet, seinerzeit als Messerschmiede. Historische Meisterbriefe an den Wänden und ein uralter Amboss in der Ecke erzählen davon. In der Tat blickt das Büchsenmacherhandwerk auf eine jahrhundertelange Tradition zurück, die mit der Erfindung des Schwarzpulvers durch den Mönch Berthold Schwarz im 14. Jahrhundert begann. So schreibt es die Büchsenmacherinnung Süddeutschland online, der für Bayern und Baden-Württemberg zuständige Landesverband.

Trotz der Historie ist das Handwerk selten. Die süddeutsche Innung zählt online nur 52 Mitgliedsbetriebe auf. Im Großraum Stuttgart findet das Internet gerade einmal eine Handvoll Betriebe. Entsprechend begehrt sind die Leistungen von Vater und Sohn Merkle. Das Duo zählt vor allem Sportschützen zu seinen Kunden und hat sich auf Kurzwaffen spezialisiert, auf die Reparatur, Wartung und Herstellung von Pistolen und Revolvern. Sportler aus Nationalmannschaften, aus Südafrika, Schweden oder Australien ließen ihre Waffen in Backnang herstellen. Von bis zu zwei Jahren Lieferzeit berichten die zwei Büchsenmachermeister.

Das Handwerk sieht sich Kritik ausgesetzt

Das Handwerk sieht sich Kritik ausgesetzt. Das bemängelt jedenfalls Ingo Meinhard, der Geschäftsführer des Bundesinnungsverbands für das Büchsenmacher-handwerk. Über die Branche werde in der Regel nur im Zusammenhang mit Schießereien berichtet, nach Fällen wie dem Amoklauf in Hamburg, bei dem im März ein Sportschütze in einer Glaubensgemeinde sieben Menschen und sich selbst erschossen hat. „Grundsätzlich sind wir als zivile Waffenbranche immer unter Generalverdacht“, sagt Meinhard, Messer seien indes gesellschaftlich akzeptiert.

Die Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat nach dem Blutbad in Hamburg angekündigt, ihren Entwurf zur Änderung des Waffengesetzes überprüfen zu wollen. Weitere Verschärfungen stehen im Raum. Ingo Meinhard wiederum findet: Letztlich sei es stets der Mensch, der sich nicht rechtskonform verhalte – egal mit welchem Werkzeug. Viele frühere Verschärfungen seien ins Leere gelaufen. Jeder Tote sei einer zu viel, aber „wenn wir uns ernsthaft darüber unterhalten, kommen wir dazu, dass das Tatmittel austauschbar ist.“

Zu wenig Personal in den Kontrollbehörden

Ähnlich sieht es Karl Prommersberger, Obermeister in Süddeutschland und gleichzeitig auch Bundesvorsitzender. „Es gibt kein Recht, wo so oft Verschärfung vorn draufsteht“, sagt er. Gleichzeitig nehme der bürokratische Aufwand für Büchsenmacher zu. „Das ist eine Mehrbelastung für unsere Handwerksbetriebe.“ Viele Büchsenmacher sind Journalisten gegenüber abweisend. Man bleibt lieber unter sich. Die Außendarstellung des Backnanger Betriebs ist bewusst zurückhaltend. Merkle Tuning, das klingt eher nach Autos. Die beiden Chefs sehen sich als Handwerker, Jäger und Sportschützen ebenfalls unter Generalverdacht – und finden es ungerecht. „Wenn das Gesetz so durchgesetzt werden würde, wie es geschrieben ist, wäre vieles nicht passiert“, sagt Ralf Merkle, allerdings mangele es etwa am Personal in den Kontrollbehörden.

In seinem Betrieb sei alles mit dem Landeskriminalamt, mit der Stadt und der Versicherung abgestimmt, sagt der 59-Jährige. Die Räumlichkeiten seien über eine Alarmanlage sowie Bewegungsmelder gesichert, Waffen lagerten zudem nachts im Safe. Alles gehe mit rechten Dingen zu. Ralf Merkle betont: „Wir haben nichts zu verstecken, wir sind stolz auf den Beruf.“

Zwei Büchsenmacherschulen in ganz Deutschland

Beruf
Den Beruf des Büchsenmachers erlernt man in einer dreijährigen Ausbildung. Nur zwei Büchsenmacherschulen gibt es bundesweit: das staatliche gewerblich-kaufmännische Berufsbildungszentrum im thüringischen Suhl und die gewerbliche Schule Ehingen in Bayern. Lerninhalte sind das Fertigen von Bauelementen, das Analysieren und Herstellen von Einzel- und Mehrladern, Kipplauf- und Kurzwaffen oder auch die Pflege, Wartung und Prüfung von Waffen.

Nachfrage
Die duale Ausbildung in Ehingen machen pro Jahrgang zwischen 15 und 25 junge Leute, sagt der Lehrer Klaus Wilcke. Die Absolventen seien gefragt, auch bei Behörden wie der Bundeswehr und der Polizei. Vor allem in Süddeutschland sei der Bedarf groß. Er erklärt: „90 Prozent aller Handfeuerwaffen kommen aus Baden-Württemberg.“ Hinzu kommt: Im Süden ist die Dichte von Schützenvereinen laut Innung besonders hoch.