In einer Bücherei gibt es nicht nur Bücher, sondern auch Hör-CDs, Filme und Comics. Der Ausleihstapel wuchs und wuchs. Foto: Judith A. Sägesser

Mitarbeiter der Stadtteilbücherei Plieningen haben behinderten Menschen gezeigt, dass sie viel mehr im Angebot haben als nur Bücher. Das Interesse war riesig.

Plieningen/Birkach - Hans quetscht sich an den anderen vorbei. Er kann nicht mehr warten. Er will so schnell wie möglich zu dem Regal, in dem die Kochbücher stehen. Annegret Sandner hat eben erklärt, wo das ungefähr ist. Ein halbe Stunde später wird das Maggi-Kochbuch unter Hansens Arm klemmen. Und nicht nur das. „Acht Filme! Acht Filme“, wird er immer wieder rufen, und er wird strahlen, der Hans im Glück.

Viele von ihnen dürften noch nie hier gewesen sein

Hans ist ein hübscher junger Bursche. Und er ist an diesem frühen Abend zusammen mit seinen Mitbewohnern in die Stadtteilbücherei Plieningen gekommen. Viele von ihnen dürften noch nie hier gewesen sein. Hans und seine Mitbewohner sind nämlich behindert. Für sie hat die Bücherei am Donnerstag, 20. Februar, eine Führung der besonderen Art angeboten. Die seltenen Besucher sollten erfahren, dass eine Bücherei nicht nur Bücher verleiht.

Hans und die anderen leben in Wohngruppen in Birkach und in Plieningen. Manche von ihnen haben eine Lernbehinderung, sagt Kerstin Bonke vom Behindertenzentrum Stuttgart. Sie fangen nichts mit Büchern an. Wohl aber mit einem Hörbuch, Filmen, Bilderbüchern, Comics oder Zeitschriften. „Die Führung soll einen Impuls geben, diese Schwelle hier häufiger zu übertreten“, sagt Bonke.

Die Rollstühle und Gehhilfen stauen sich

Das ist für den Anfang geglückt. Der Andrang ist enorm. Zur abgemachten Zeit stauen sich die Rollstühle und Gehhilfen in der Bücherei an der Neuhauser Straße. Die Gäste sitzen in der Leseecke, hören Annegret Sandner zu, die ihnen einen Überblick in dieser unbekannten Welt verschafft, knuspern hungrig Kekse und wollen endlich selbst auf die Suche gehen.

Arthur mit der Schiebermütze hat seine Wahl getroffen. Ein Englisch-Lernbuch. Es ist groß und bunt. Nur, Arthur kann es leider nicht behalten. Er malt am liebsten Bilder aus. Doch ausgerechnet das geht bei diesen Büchern nicht, wird ihm erklärt. Widerwillig bringt Arthur das Buch zurück. Er wird vielleicht etwas anderes finden.

Von Hexengeschichten bis Kitschroman

Auf dem Ausleihstapel landet schließlich einiges. Mehr oder weniger das Sortiment der Bücherei einmal hoch und runter. Hexengeschichten auf CD, Wendy, das Sams, ein Kitschroman über die einzige und wahre Liebe, das Magazin Der Spiegel, und so weiter – und so weiter.

Hans hat seine acht Filme und das Maggi-Kochbuch, mehr braucht er nicht. Nun kann es ihm wieder nicht schnell genug gehen. Er will die Sachen endlich richtig ausgeliehen haben, sie mit nach Hause nehmen und sie ausprobieren. „Acht Filme! Acht Filme“, sagt Hans und strahlt.