Albert Schüler mistet am Tausch-Bücherschrank in Plattenhardt aus. Foto: Patrick Steinle

An immer mehr Orten gibt es öffentliche Bücherschränke. Das Interesse daran ist auch in Filderstadt groß. So schön das klingt, so gibt es doch ein Problem zu bedenken.

Es gibt einen Trend zum öffentlichen Bücherregal. Falls man, was unwahrscheinlich ist, trotzdem noch an keinem vorbeigekommen ist: Das sind Orte, an denen Leute kostenlos Lesestoff finden. Man geht hin, stöbert und nimmt einen Roman oder ein Sachbuch gratis mit. Ist es ausgelesen, bringt man es zurück oder aber stellt selbst einen ausrangierten Klassiker ins Tauschregal. Es ist also ein Geben und Nehmen. Auch in Filderstadt sind die Bücherschränke auf dem Vormarsch. In Sielmingen und Plattenhardt gibt es solche Angebote bereits, Bernhausen soll folgen.

Die Grünen im Gemeinderat Filderstadt wollen einen Schritt weitergehen und wünschen sich per Antrag in jedem Teilort einen öffentlichen Umschlagplatz für Literatur. „Wir als Bibliothek unterstützen dieses Ziel“, sagt Petra Rösner, die Leiterin der Stadtbibliothek. „Das wäre eine ganz tolle Ergänzung zum Angebot in der Bibliothek.“ Sie spricht von einem Nachhaltigkeitsprojekt.

Wie die Leiterin der Bibliothek das Problem lösen will

Der genaue Ort für den Bücherschrank in Bernhausen steht noch nicht fest. „Er ist noch in Planung, aber fest eingeplant“, erzählt Rösner. Als Konkurrenz zur Bücherei sehe sie das nicht. Es gefalle ihr, dass das Angebot kostenfrei sei. Auch für die Menschen, die Bücher bringen, sieht sie einen Vorteil: „Es fällt vielen schwer, ein Buch in die Mülltonne zu werfen.“

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So schön das alles klingt, so gibt es doch ein Problem. Sobald zu viele Bücher abgegeben werden, wird es unübersichtlich und sieht schnell chaotisch aus. Heißt in der Konsequenz, dass es stets jemanden braucht, der sich verantwortlich fühlt und notfalls aufräumt. Rösner will deshalb für den neuen Standort in Bernhausen Auszubildende und Praktikanten damit beauftragen, Ordnung zu halten. Es sei auch ein Projekt, das die jungen Leute weiterbringe.

Immer wieder stapelt sich die Literatur der anderen

Am Bücherschrank in Plattenhardt gibt es eine Lösung gegen den Wildwuchs. Dort mistet Albert Schüler aus. Er leitet die Kunstschule, auf deren Hof neun bunte Boxen mit unzähligen Büchern stehen. Immer wieder stapelt sich die Literatur der anderen auch auf den Boxen. „Jeden Tag kommen Leute hierher“, berichtet er. Und die meisten holen keine Bücher, sondern bringen welche. „Manche stellen volle Kisten hin.“

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Der Aufwand, Ordnung zu halten, sei nicht zu unterschätzen; Albert Schüler steht nicht alleine damit da, seine Frau und ein Ehrenamtlicher helfen ihm. Der Leiter der Kunstschule nimmt es mittlerweile „als tägliche Begleitaufgabe“ wahr, wie er sagt. Er räume gerne auf, auch wenn mal Vasen oder anderer Kleinkram abgegeben wird, das sei aber die Ausnahme. Schüler freut sich, dass das Konzept des Tauschens so gut angenommen werde. Von fast neuen Büchern bis hin zu Unbrauchbarem sei alles dabei. Die wenigsten Werke landen im Müll.

Warum die Leute zum Bücherschrank gehen

Die Bücherboxen in Plattenhardt gibt es nun sechs Jahre, Schüler erzählt davon, wie seither „Kinder allein auf ihrem Fahrrad kommen und nach Büchern suchen“. Eine Bank zum Sitzen war ihm wichtig, damit es ein Ort der Ruhe sein kann. Doch vor allem den Kontakt und die Interaktionen schätzt der Künstler. „Es kommen die unterschiedlichsten Menschen, es ist generationenübergreifend.“

Eine von ihnen ist Valerija Vasylevytska. „Ich finde es spannend, weil man nie weiß, was man bekommt“, sagt die Studentin der Hochschule der Medien in Stuttgart-Vaihingen. „Wenn man gezielt ein Buch sucht, würde man die ganzen anderen Bücher übersehen. Man hätte gar nicht die Möglichkeit, sie zu lesen.“ Dass die Werke nicht mehr komplett perfekt seien, macht für die Filderstädterin den Charme aus. „Ich finde es immer schön daran zu denken, dass das schon mal jemand in der Hand hatte und gelesen hat.“