2018 wurde das Budget für die Bezirksbeiräte erhöht. Das habe neue Begehrlichkeiten geweckt, sagt Thilo Reith (FDP). Foto: dpa/D. Reinhardt

Kein Geld mehr an die Nachbarn – das haben die Bezirksbeiräte von Stuttgart-Plieningen und Stuttgart-Birkach jüngst entschieden. Doch manche wollen die klare Aufteilung des bisher gemeinsam verwalteten Budgets schon wieder rückgängig machen. Denn es droht Chaos.

Birkach/Plieningen - Das Ausmaß der Entscheidung und das möglicherweise damit verbundene Chaos wird an diesem Beispiel besonders deutlich: Der Bürger- und Kulturverein Birkach hat seinen Hauptsitz im Asemwald, weil der Vorsitzende, Matthias Lutz, dort wohnt. Die Wohnstadt mit den großen Hochhäusern gehört offiziell aber nun einmal nicht zu Birkach, sondern zu Plieningen. Wohin also müsste sich der Verein künftig wenden, wenn die Mitglieder Geld für ein besonderes Projekt benötigen? An die Bezirksbeiräte von Birkach, weil der Verein so heißt und dort auch Veranstaltungen organisiert? Oder an die Plieninger, weil dort der Vereinshauptsitz ist? Das weiß aktuell niemand.

Stuttgart-Birkach erhält deutlich weniger Geld

Zum Verständnis: Alle Stuttgarter Bezirksbeiräte haben eine gewisse Summe an Geld zur Verfügung, die sie für soziale, kulturelle oder sportliche Projekte bei sich vor Ort ausgeben dürfen. Vereine, Gemeinden, Schulen oder Initiativen stellen Anträge auf finanzielle Unterstützung, über die die Bezirksbeiräte entscheiden. Bisher hatten die Plieninger und Birkacher ihr Geld gewissermaßen zusammengeworfen und gemeinsam beraten, wofür sie in den beiden Bezirken Geld ausgeben wollen. Und genau dies hat seit Kurzem ein Ende.

In der jüngsten Sitzung des Bezirksbeirats hatten die Lokalpolitiker entschieden, dass sie ihr Budget trennen wollen: Falls die beiden Bezirke wie im Vorjahr rund 56 000 Euro erhalten, wären es künftig etwa 33 500 für Plieningen und 22 500 Euro für Birkach – entsprechend der jeweiligen Einwohnerzahlen. Künftig entscheiden Plieninger alleine, ob und wie viel Geld für Plieninger Projekte ausgegeben wird, Birkacher für Birkacher Projekte. Dass es so gekommen ist, war nicht vorhersehbar; die Entscheidung in der Sitzung war knapp: Lediglich eine Person mehr sprach sich für die Trennung aus als für das Beisammenhalten des Bezirksbudgets.

„Die Trennung bringt Konkurrenz und Spaltung“

Ulrich Fellmeth-Pfendtner (Grüne) war in der Sitzung nicht dabei und konnte nicht mitabstimmen, seine Meinung dazu ist aber eindeutig: „Die Budgets gehören zusammen.“ Die Trennung bringe den Bezirken Konkurrenz und Spaltung, statt Solidarität und Zusammenhalt. Seinem Eindruck nach würden sich diejenigen, für die das Geld gedacht sei, auch schwer tun, die neue Regelung nachzuvollziehen. Bei einem kürzlichen Treffen der Fraktionssprecher mit Vertretern von Institutionen sei „eher Beklommenheit und Unwohlsein zu spüren gewesen als offene Zustimmung oder Begeisterung“, berichtet Fellmeth-Pfendtner.

Und für diejenigen, die an einer stärkeren Zusammenarbeit der beiden südlichen Stadtbezirke aktiv beteiligt seien, wirke das Ganze „wie ein Schlag ins Gesicht“. Er hofft deshalb, dass die Entscheidung rückgängig gemacht werde: „Der Plieninger Bezirksbeirat könnte erneut darüber abstimmen, sobald sich neue Erkenntnisse ergeben – etwa zur Anhörung der Vereine oder zu Problemen der Kulturförderung.“

Es kam zuletzt zu Neiddiskussionen

Thilo Reith, Sprecher der FDP und Plieninger, sieht es anders als sein Grünen-Kollege aus Birkach: „Ich habe sogar die Hoffnung, dass sich die Zusammenarbeit durch den Schritt verbessern könnte.“ Denn künftig könne jeder Bezirk für sich entscheiden, und man müsse keine langen Diskussionen mehr darüber führen, wie es für alle am gerechtesten sei.

Die Entscheidung zu der Trennung sei nicht von heute auf morgen gefallen, sagt Reith: „Bei mir persönlich war das ein längerer Prozess. Als das Bezirksbudget 2018 erhöht wurde, hat das neue Begehrlichkeiten geweckt. Manche Anträge waren grenzwertig.“ Auch die Diskussion im Gremium über das Budget sei teilweise nicht mehr rational verlaufen; mitunter sei es zu Neiddiskussionen gekommen.

Das Ganze soll ein Versuch sein

Außerdem hätten einige Bürger sowie Vertreter von Institutionen aus Plieningen das Ungleichgewicht kritisiert: 2019 gingen rund 60 Prozent des Budgets nach Birkach und nur 40 Prozent an Plieningen, obwohl Plieningen mehr Einwohner hat. „Wenn wir das dreitägige Plieninger Dorffest gleich hoch fördern wie das eintägige Birkacher Dorffest, ruft das Unverständnis hervor“, stellt Reith klar. Allerdings – und das betont er – sieht er das Ganze als Versuchsballon. „Wir sollten die Trennung mal für zwei Jahre probieren.“

Einen Kompromiss gehen die Bezirksbeiräte übrigens bereits ein: Damit die Kultur nicht zu kurz kommt, wollen die Plieninger künftig 3000 Euro für gemeinsame Projekte der drei Bürger- und Kulturvereine spendieren: Birkach, Schönberg und Plieningen. Bei dieser Entscheidung sind sich die Bezirksbeiräte auch einig; der Antrag ist interfraktionell.