Den Buchwochen im Haus der Wirtschaft droht ein Umzug . Die Bildungsmesse Horizon zieht bereits 2014 in die Stuttgarter Schleyerhalle. Foto: Leif Piechowski

Demnächst gehen die 63. Stuttgarter Buchwochen über die Bühne. Wie es aussieht, zum letzten Mal im Haus der Wirtschaft. Denn das Haus, das am 6. Juni 1896 von König Karl von Württemberg eingeweiht wurde, kann aus Gründen des Brandschutzes keine großen Messen mehr veranstalten.

Stuttgart - Der Charme des Alters hat bei Gebäuden seine Tücken. Das Haus der Wirtschaft (HdW), Ende des 19. Jahrhunderts als Königliche Zentralstelle für Gewerbe und Handel und als Ausstellungsgebäude gebaut, hält den heutigen Ansprüchen nicht mehr stand. Das Kongress-, Ausstellungs- und Dienstleistungszentrum in der Willi-Bleicher-Straße 19, das dem Land Baden-Württemberg gehört und vom Wirtschaftsministerium federführend betrieben wird, entspricht nicht mehr den heutigen Brandschutzbestimmungen. Nachdem bei Brandschutzüberprüfungen durch das Baurechtsamt immer wieder Mängel deutlich wurden, entschloss sich das Staatliche Hochbauamt, ein Gutachten in Auftrag zu geben, um ein Gesamtkonzept erarbeiten zu können. Die ersten Ergebnisse des Gutachtens des Ingenieurbüros Halfkann und Kirchner, das Anfang 2014 veröffentlicht wird, sind ernüchternd. Die große Treppe, die das ganze Haus verbindet, gilt nicht als eigenständiger, abgetrennter Fluchtweg. Nachrüstbar ist so etwas in diesem historischen Gebäude nicht. Damit ist klar: Nichts bleibt im Haus der Wirtschaft, wie es war. Einige Veranstaltungen werden wohl nicht mehr möglich sein, manche nur in reduzierter Form.

„Wir werden bei den Besucherzahlen eine Höchstgrenze festsetzen müssen und müssen bestimmen, wie viel Leute gleichzeitig in einem Raum sein dürfen“, sagt HdW-Sprecher Frank Kupferschmidt, „zudem werden wir bei Veranstaltungen nicht mehr alle Räume gleichzeitig bespielen können.“

Dies trifft vor allem die publikumsstarken Messen. Zum Beispiel die Bildungsmesse Horizon oder die Stuttgarter Buchwochen. Nach acht Jahren im Haus der Wirtschaft zieht es die Horizon in die Hanns-Martin-Schleyer-Halle. „Neue Brandschutzbestimmungen, die möglicherweise ab 2014 im Haus der Wirtschaft gelten und eine weitere Reduzierung der Ausstellungsflächen zur Folge haben werden, machen den Schritt notwendig“, ließ die Horizon mitteilen. Die Veranstalterin Anette Petzoldt präzisierte: „Das Haus der Wirtschaft hat eine tolle Lage und ist atmosphärisch sehr schön. Doch eine Verkleinerung der Messe ist weder für die Besucher noch für uns sinnvoll.“

Finanzielle Folgen noch unabsehbar

Die Veranstalter der Buchwochen traf diese Botschaft mit all den drohenden Veränderungen wie ein Blitz aus heiterem Himmel. „Ich habe noch nichts davon gehört“, sagte Sabine Baumann, die die Stuttgarter Messe für den Börsenverein des Deutschen Buchhandels organisiert. „Wir arbeiten gerade volle Pulle an den diesjährigen Buchwochen. Ich weiß nichts von neuen Brandschutzbestimmungen.“ Ihrer Ansicht nach gebe es für die diesjährigen Buchwochen (14. November bis 8. Dezember) aber keine neuen Auflagen. „Ich dachte, da ist alles geregelt, da wir schon im vergangenen Jahr neue Brandschutzauflagen erfüllt haben“, sagt sie. Wie sie und der Börsenverein reagieren werden, wenn im Jahr 2014 eine Reduzierung der Besucherzahl und der Ausstellungsfläche gefordert ist, wollte sie noch nicht kommentieren: „Da muss ich erst mal Rücksprache halten.“

Doch wie die Dinge liegen, steht wie bei der Horizon ein Wechsel des Veranstaltungsorts im Raum. Denn bei beiden sind die Besucherströme in etwa identisch. Im März 2013 hatte die Bildungsmesse an zwei Tagen über 7600 Besucher. Die Buchwochen zählten 2012 an 25 Tagen 97 000 Besucher. Also täglich 3880 und damit mehr als die Horizon (3800).

Welche finanziellen Auswirkungen die drohenden Abwanderungen von Messen und Veranstaltungen haben könnten, wollte HdW-Sprecher Kupferschmidt nicht beziffern: „Noch steht ja nicht fest, in welchem Umfang sich alles auswirkt.“ Nur eines ist bereits klar: Das ehrwürdige Gebäude, das von 1986 bis 1990 für 41 Millionen Euro saniert wurde, bekommt eine breitere Eingangstür und bessere Fluchtmöglichkeiten durch die Seitentüren. Doch am Ergebnis ändert das nichts: Nur ein Teil der 15 000 m² Fläche kann in Zukunft so genutzt werden wie bisher. Auf die Buchwochen 2013 hat das Ganze im Übrigen noch keinen Einfluss. Die Veranstaltung ist nicht in Gefahr. Auch weil das Brandschutz-Gutachten noch nicht offiziell vorliegt. „Außerdem erkennen wir derzeit keine akute Gefährdung“, sagte Baurechtsamts-Chefin Kirsten Rickes, „deshalb gibt es auch keinen Grund, die Veranstaltung 2013 zu untersagen.“