Als Zeruya Shalevs Debüt „Nicht Ich“ in Israel erschien, war das ein Skandal. Dreißig Jahre später kann man sich nun auch in Deutschland ein Bild von dem wilden Befreiungsschlag machen, mit dem die spätere Erfolgsautorin Rollen und Identitäten zertrümmert hat.
Von vielen Kunstformen gibt es einen Rohzustand, noch nicht gebändigt von Konventionen und Kompromissen. Und bisweilen gilt das Fragmentarische, Unbearbeitete, Raue als direkterer Zugang zum Wesentlichen als der geschmeidige Umriss des Vollendeten. Hieraus speist sich das Faszinosum von Skizzen und Entwürfen, der Reiz von Werkstatt-Einblicken oder der Purismus von Unplugged-Konzerten. Eine entsprechende Erwartung verbindet sich auch mit manchem literarischen Frühwerk: dass sich hier noch jemand etwas traut, ohne Rücksicht auf Übereinkünfte oder die Gesetze des Markts.