Der kanadische Science-Fiction-Autor Cory Doctorow 2015 auf der Internetkonferenz Re:publica Foto: dpa/Britta Pedersen

Der kanadische Autor Cory Doctorow denkt schon lange in Romanen, Geschichten, Artikeln und Vorträgen über die digitale Revolution nach. In der Novelle „Wie man einen Toaster überlistet“ zeigt die schöne neue Welt mal wieder heimtückische Seiten.

Stuttgart - Jeder kennt das: Irgendwelche Technikwunder gehen nicht einfach schmorend und ächzend für immer kaputt, sie zicken und spinnen plötzlich. So scheint es Salima mit einem ihrer Küchengeräte zu gehen. Denn, so erzählt es der kanadische Autor Cory Doctorow in seiner nun endlich ins Deutsche übersetzten Erzählung „Authorized Bread“: „Ihr Toaster akzeptierte das Brot nicht mehr. Sie hielt die Scheibe davor und wartete darauf, dass ihr der Bildschirm das Emoji mit dem Daumen nach oben zeigte, doch stattdessen erschien das Symbol, das sich am Kopf kratzte.“

Zwang zum richtigen Brot

Was wir aber schnell begreifen in „Wie man einen Toaster überlistet“ : Der Apparat ist nicht wirklich kaputt. Er tut nur ganz getreulich, was ihm einprogrammiert wurde: Er überprüft, ob das Brot, das er toasten soll, eine der zugelassenen Sorten ist, ob es also von einer Großbäckerei stammt, die einen Vertrag mit dem Toaster-Fabrikanten Boulangism hat. Offiziell dient das natürlich nur dem Schutz des Verbrauchers, damit er immer das optimale Toast-Erlebnis hat. Doctorow denkt hier in einen anderen Bereich weiter, was man zum Beispiel von Druckerherstellern und den passenden Tinten- und Papiersorten kennt.

Aus der Empfehlung wird bei Doctorow Zwang. Das kleine Problem: Boulangism geht pleite, der Toaster kann keine Server mehr erreichen, um online die aktuell zugelassenen Brote abzurufen, also macht er seine Klappe für gar nichts mehr auf. Beim Weiterlesen wird einem dann auch klar: Das Ding heißt nur Toaster, es ist aber die einzige Kocheinheit in einem vollmöblierten Winzapartment, also die Allround-Mikrowelle.

Lauter Gängelmechanismen

Das alles wird aber nicht nur Ärger-mit-der-Technik-Komödie. Doctorow, der im angelsächsischen Raum als Blogger, Aufsatzschreiber, Panelteilnehmer einer der präsenten Querdenker der digitalen Revolution ist, erzählt hellsichtig von einer Zweiklassengesellschaft. Salima, eine aus NordafrikaGeflüchtete, die lange in furchtbaren Internierungslagern zubringen musste, lebt in einem Neubauklotz, in dem es für ihresgleichen nur deshalb ein paar erschwingliche Sozialwohnungen gibt, weil der Bauträger so die Genehmigung bekam, 20 Stockwerke über die eigentlich nur erlaubten 30 hinaus zu bauen. Die Gängelmechanismen aller eingebauten Geräte – Toaster, Geschirrspüler, Kühlschrank, etc. – sind Teil des Geschäftsmodells: auch der Vermieter profitiert von überteuerten „autorisierten“ Verbrauchsmaterialen.

Kann man das hacken? Darf man das hacken? Und was passiert dann? Das spielt Doctorow hier durch, und er wiederholt dabei ein Motiv, das schon seine früheren Romane und Stories prägte: Digitale Rechte und Nutzungseinschränkungen sind kein langweiliges Kleingedrucktes, sie sind ein wichtiges Schlachtfeld des Kampfs um Bürgerrechte. Wer nicht glaubt, dass sein Toaster die einmal verletzen könnte, sollte diese Geschichte lesen.

Cory Doctorow: „Wie man einen Toaster überlistet“. Novelle. Aus dem Englischen von Jürgen Langowski. Heyne-Verlag. 176 Seiten, 12 Euro. Auch als E-Book, 9,99 Euro. Hier geht’s zu einer Leseprobe.