Zwei Jahre lang hat Professor Wolfram Pyta mit seinen beiden Co-Autoren an dem rund 500-seitigen Buch gearbeitet. Foto: Zeyer

Die Firma Porsche befasst sich intensiv mit ihrer Vergagenheit, und zwar auch mit der Zeit während des NS-Regimes. Ein Teil dieses Projektes ist auch das Buch „Porsche – vom Konstruktionsbüro zur Weltmarke“, das der Stuttgarter Universitätsprofessor Wolfram Pyta zusammen mit zwei Co-Autoren veröffentlicht hat.

Zuffenhausen - Fast 240 000 Fahrzeuge hat die Firma Porsche im Geschäftsjahr 2016 verkauft und damit einen Umsatz von mehr als 22 Milliarden Euro gemacht. Was heute ein weltweit agierender Konzern ist, fing im Jahr 1931 recht bescheiden in einem kleinen Büro an der Kronenstraße 24 nahe des Stuttgarter Hauptbahnhofs mit einer 19-köpfigen Belegschaft an. 1938 zog der Betrieb dann nach Zuffenhausen. Mit den Anfangstagen des Unternehmens und der Geschichte seines Gründers Ferdinand Porsche befasst sich das Buch „Porsche - vom Konstruktionsbüro zur Weltmarke“ (ISBN 978-3-8275-0100-4, Preis 28 Euro). Geschrieben haben es Wolfram Pyta, Nils Havemann und Jutta Braun.

„Ferdinand Porsche brauchte den passenden politischen Rahmen, um sich als Konstrukteur verwirklichen zu können“, sagt Professor Wolfram Pyta, der die Abteilung für Neuere Geschichte am Historischen Institut der Universität Stuttgart leitet. Diesen Rahmen boten Hitler und die Nationalsozialisten. Pyta beschreibt Ferdinand Porsche als einen Opportunisten, der sich genau so weit auf das NS-Regime einließ, wie es ihm und seinem Unternehmen nützte. Eine innere Bindung zu den Kernzielen der Nationalsozialisten habe der Konstrukteur nicht verspürt.

Im Fokus des rund 500-seitigen Buchs steht vor allem die Zeit von 1931, also der Gründung des Stuttgarter Konstruktionsbüros, bis 1951, dem Tod Ferdinand Porsches. Der innovationsfreudige Techniker, der zuvor Elektromobile und Rennwagen konstruiert hatte und auch Chefentwickler von Daimler-Benz gewesen ist, hat in diesen Jahren den Grundstein für das spätere Weltunternehmen gelegt. Pyta und seine beiden Co-Autoren erzählen die Firmengeschichte der Anfangsjahre. Dabei werden weithin bekannte Tatsachen wie die Entstehung des Volkswagens und die Rennsport-Geschichte ebenso behandelt wie weniger bekannte Aspekte wie die Konstruktion von Panzern, Militärfahrzeugen und Landmaschinen. Stets im Blick haben die Autoren dabei die Interaktion zwischen Familie und Unternehmen.

Manche Akten schlummerten jahrzehntelang in den Archiven

Manche Akten, die jahrzehntelang in internationalen Archiven verschwunden waren, hat das Autorenteam wieder zum Vorschein gebracht. Unter anderem diejenigen, die sich mit Ferdinand Porsches Haft in Frankreich von 1945 bis 1947 befassen. Ebenfalls in Frankreich, und zwar im Archiv des Automobilkonzerns Renault, fanden die Autoren Anhaltspunkte dafür, dass man von Porsche gerne eine Art französischen Volkswagen hätte konstruieren und in Frankreich bauen lassen wollen. Dies wusste Renaults größter Konkurrent Peugeot allerdings zu verhindern.

Auch das Thema Zwangsarbeit kommt zur Sprache. In Zuffenhausen, so kann man im entsprechenden Kapitel nachlesen, seien die Zwangsarbeiter besser behandelt worden als in Wolfsburg (das damals offiziell noch „Stadt des KdF-Wagens bei Fallersleben“ hieß). Ferdinand Porsche selbst habe sich mit diesem Thema allerdings nicht beschäftigt. Dies empfand er wohl nicht als seine Aufgabe, außerdem habe es in Zuffenhausen auch keine Probleme mit den Zwangsarbeitern gegeben. Im Gegensatz zu Wolfsburg, wo auf Druck und Strafe gesetzt worden sei, seien in Zuffenhausen Anreize geschaffen worden, um die Arbeitsleistung zu erhöhen.

Zwei Jahre lang hat das Autorenteam an dem Buch gearbeitet. Dabei wurde es von der Firma Porsche finanziell unterstützt. „Es gab keinerlei Einmischung oder Einflussnahme. Wir hatten volle Gestaltungsfreiheit“, stellt Wolfram Pyta klar. Der Historiker lobt den offenen Umgang des Konzerns mit seiner Vergangenheit. Das Buch, so beschreibt es Achim Stejskal, der Leiter der historischen Öffentlichkeitsarbeit und des Porsche Museums, sei die konsequente Weiterführung interner Untersuchungen der Unternehmensgeschichte und entspreche dem Wunsch nach rückhaltloser Aufklärung der Zeit von der Gründung des Konstruktionsbüros bis nach dem Zweiten Weltkrieg. Denn auch die NS-Zeit sei ein Teil der Porsche-Geschichte. „Heute möchten wir damit ein deutliches Zeichen für Toleranz und Weltoffenheit setzen“, sagt Stejskal.

Künftig könnte die Zusammenarbeit zwischen dem Autobauer und der Universität sogar noch ein Stück weiter gehen: Porsche möchte einen auf Unternehmensgeschichte ausgelegten Lehrstuhl an der Universität Stuttgart stiften. Angedacht ist zunächst eine Zeitdauer von zehn Jahren. Pro Jahr würde der Sportwagenhersteller einen „niedrigen sechsstelligen Betrag“ investieren. Auch sonst möchte man offener mit der Vergangenheit umgehen. So hängt seit einigen Tagen am Werk 1 eine Gedenktafel, die auf die Zwangsarbeiter während der NS-Zeit hinweist.