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Verstörende Bilder im Internet: Zwei 13-jährige Mädchen schlagen eine 14-Jährige am Bahnhof in Rastatt zusammen, ein Video davon kursiert wenig später in den sozialen Netzwerken. Ein Einzelfall?

Zu sehen ist in einem Video ein 14-jähriges Mädchen auf einem Bahnsteig, das zusammengekrümmt am Boden liegt. Zwei andere Mädchen treten auf sie ein und schlagen zu. Zu hören ist das Geräusch der Schläge und Tritte gegen den Körper. Die drei Jugendlichen sind polizeibekannt, wie sich herausstellt. Niemand hilft, stattdessen wird gefilmt. Die Polizei ermittelt nach dem Angriff auf die Jugendliche in der baden-württembergischen Stadt Rastatt wegen gefährlicher Körperverletzung gegen die mutmaßlichen Täterinnen. Einige Fragen und Antworten zu dem Thema:

Gab es in der Vergangenheit ähnliche Vorfälle?

Im November vergangenen Jahres hatte die Polizei Karlsruhe beispielsweise hinsichtlich eines Videos ermittelt, das offenbar im Bereich einer U-Bahn-Haltstelle in der Innenstadt aufgenommen worden war und ebenfalls eine Prügelszene unter Jugendlichen zeigte. Daten zu solchen Vorfällen werden nach Worten eines Sprechers des Innenministeriums jedoch nicht erhoben.

Was sagen die Statistiken zur Jugendkriminalität im Land?

Stand 2021 - neuere Zahlen gibt es noch nicht - ist unter dem Strich die Zahl tatverdächtiger junger Menschen unter 21 Jahren schon im vierten Jahr in Folge gesunken. Das gelte aber nicht für das Gewaltdelikt Totschlag, wie das Innenministerium weiter mitteilte: Hier stieg die Zahl der Verdächtigen um 30 Prozent auf 82 Personen. Auch bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung sei ein deutlicher Anstieg um rund 47 Prozent zu verzeichnen - vor allem was die Verbreitung pornografischer Schriften betrifft.

Welche Strafen drohen bei einer Tat wie der Prügelattacke in Rastatt?

Gegen Kinder unter 14 kann kein Strafverfahren eingeleitet werden - auch nicht bei gefährlicher Körperverletzung. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Baden-Baden ist es in solchen Fällen üblich, dass das Jugendamt verständigt wird. Dieses prüft Maßnahmen und auch, ob zum Beispiel Eltern ihrer Aufsichtspflicht nachgekommen sind. Im schlimmsten Fall könnte eine Entziehung des Sorgerechts drohen.

Zwischen 14 und 18 Jahren gilt Jugendstrafrecht. Das Jugendgericht kann verwarnen, Arbeitsstunden, eine Geldstrafe oder eine Jugendstrafe (zwischen sechs Monaten und zehn Jahren) verhängen.

Wie lässt es sich erklären, dass keiner der Zeugen dem Opfer geholfen oder Hilfe gerufen hat?

Die Sozialpsychologie führt ein entsprechendes Verhalten auf den sogenannten Zuschauereffekt zurück. Er beschreibt das Phänomen, dass die Wahrscheinlichkeit der Hilfeleistung in einem Notfall mit steigender Anzahl der Umstehenden abnimmt. Ursächlich dafür sei die Verantwortungsdiffusion, also das Abschieben der Verantwortung auf die anderen, erläuterte Gerd Bohner, Professor für Sozialpsychologie an der Universität Bielefeld. „Jeder denkt, es wird schon ein anderer helfen.“ Bei Gewalttaten könne zudem auch die Angst davor, selbst in Gefahr zu geraten, von einer Intervention abhalten.

Was droht Gaffern?

Wer nur zugeschaut hat, nicht eingegriffen und nicht mal die Polizei oder Rettungskräfte alarmiert hat, dem droht ein Verfahren wegen unterlassener Hilfeleistung und damit eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe. Wer zum Prügeln anfeuert, kann auch wegen Anstiftung oder Beihilfe belangt werden.

Können Video-Filmer und Verbreiter bestraft werden?

Es gibt das Recht am eigenen Bild, das sich aus dem Kunsturhebergesetz ergibt. Dieses regelt die Verbreitung von Bildnissen. Paragraf 201a StGB stellt zudem die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen unter Strafe. Laut dem Portal urheberrecht.de kann so das Filmen und Zurschaustellen einer hilflosen Person eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren nach sich ziehen.