In Brüssel werden demnächst die CO2-Ziele für 2021 bis 2030 festgezurrt. Foto: dpa

Jedes Mal, wenn die Gesetzgebungsmaschine in Brüssel anspringt, um Verbrauchsobergrenzen für Autos festzulegen, geht es hochemotional zu. Die deutschen Hersteller haben derzeit einen schweren Stand. Dazu die wichtigsten Fragen und Antworten.

Stuttgart - - Wer sind die handelnden Gruppen?

Die Lobbyisten bringen sich in Position. Zwei Lager stehen sich dabei gegenüber. Da ist zum einen die klassische Autolobby, in Brüssel vertreten durch die europäischen Dachverbände der Hersteller (ACEA) und der Zulieferer (Clepa). Auch die nationalen Branchenverbände wie etwa der VDA sowie die Hersteller selbst sind mit eigenen Büros vor Ort. Auf der anderen Seite steht die Anti-Verbrenner-Lobby: T + E, der Dachverband vieler nationaler Umweltverbände. Allein in Brüssel sind rund 40 Lobbyisten für T + E unterwegs. BEUC, der Dachverband von Verbraucherschützern, ist auch sehr aktiv. Bei T+E und bei BEUC sind jeweils auch deutsche Umweltverbände wie DUH, Nabu sowie Verbraucherzentrale-Bundesverband (VZBV) Mitglied.

Wie steht die Umweltlobby da?

Die Umweltlobby hat im Vergleich zur letzten CO2-Runde, die 2013 ausgetragen wurde, massiv aufgeholt. Sie hat sich personell verstärkt. Sie macht inzwischen Kampagnen, um die sie die Branchenlobby beneidet. T + E etwa lanciert immer wieder Ministudien – so erst letzte Woche wieder mit einer Übersicht zu Fahrverboten in über 200 EU-Städten und der repräsentativen Umfrage, wonach zwei Drittel der EU-Bürger Fahrverbote für alte Diesel akzeptieren würden.

Wer finanziert die Lobbyarbeit?

Hinter dem VDA, Mercedes und BMW steckt die geballte Finanzkraft einer Branche, die in Deutschland allein 900 000 direkte Mitarbeiter hat. Doch auch die Anti-Verbrenner-Lobby ist nicht nur auf Mitgliedsbeiträge und Spenden angewiesen. T + E etwa zählt auf die Unterstützung von finanzkräftigen Stiftungen. Und: T + E bekam 2017 über 500 000 Euro von der EU-Kommission, auch das deutsche Umweltbundesamt (UBA) steuert jedes Jahr einen Betrag zwischen 25 000 und 100 000 Euro bei. Es wirkt seltsam: Da bezahlt die Kommission dafür, dass sie selbst lobbyiert wird. Auch die UBA-Unterstützung verwundert, ist das UBA doch eine nachgeordnete Behörde des Umweltministeriums, das im Rat mit am Tisch sitzt, wenn das CO2-Gesetz gemacht wird.

Welchen Stand hat die Autoindustrie?

Der Autobranche weht in Brüssel eisiger Wind entgegen. Das beginnt damit, dass Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska bei jeder Gelegenheit erklärt, dass sie den Verbrennungsmotor für ein Auslaufmodell hält: „Diesel ist die Technologie der Vergangenheit.“ Die Polin wird von der Branche nicht als Verbündete, sondern als Scharfmacherin gesehen. Aus Sicht der Industrie ist sie ein hoffnungsloser Fall. Ihr Kontakt zur deutschen Autoindustrie ist so gut wie abgebrochen. Dazu passt: Am 6. November tritt Bienkowska als Hauptrednerin beim europäischen Dieselgipfel von T + E auf.

Wie ist die Haltung der EU-Länder?

Anders als 2013 ist das Gremium der Mitgliedstaaten, also der Umweltminister-Rat, aus Sicht der Industrie auch auf Krawall gebürstet. Das gab es nämlich noch nie: Eine Mehrheit der Länder will den Vorschlag der Kommission verschärfen. Klassische Autoländer wie Frankreich, Spanien, Italien und Portugal übernehmen damit die Position der Umweltverbände. Noch härter ist für die Hersteller das Lobbygeschäft im Parlament mit seinen 751 Abgeordneten. Die Sozialdemokraten – mit 188 Sitzen stellen sie die zweitgrößte Fraktion – standen wie eine Eins hinter der maltesischen Abgeordneten Miriam Dalli. Sie trat mit der Position an, zwischen 2021 und 2030 den Spritverbrauch je Auto halbieren zu wollen. Ein erfahrener Autolobbyist kann es immer noch nicht glauben: „Betriebsräte sind reihenweise in Brüssel aufgelaufen, aber ohne Erfolg. Die Sozialisten werden nicht einmal mehr von IG-Metallern erreicht.“

Was hat der Dieselskandal damit zu tun?

Die Autolobbyisten wissen, dass sie es schwer haben. Der Dieselskandal und die Fahrverbote sowie die Kartellvorwürfe spielen eine Rolle. „Unsere Position ist eine andere geworden“, sagt ein Industrievertreter, „wir haben Vertrauen verloren.“ Wenn er heute bei ganz normalen Beamten in einer Generaldirektion der EU anklopfe, „müssen die erst einmal ihren Chef fragen“. Es sei nicht mehr populär, „sich mit uns zu treffen“. Die Autobauer, die einzige Branche, in der die Deutschen noch Weltspitze sind, gerät gerade in die Schmuddelecke. Kommt es zu Gesprächen, „dann dringen wir nicht mehr durch mit unseren Argumenten“. Es sei wie 2011 nach der Reaktorkatastrophe in Japan, als alle plötzlich gegen Atomkraft waren. Die Autobranche erlebe gerade einen fundamentalen Stimmungsumschwung. „Jeder glaubt, dass die Zukunft das E-Auto ist, der Verbrenner böse und der Gesetzgeber bei der technologischen Umwälzung mithelfen müsse.“ Ob der Gesetzgeber Ziele aufstellt, die technisch nicht erreichbar sind, ob die Ladeinfrastruktur überhaupt für einen schnellen Hochlauf der E-Mobilität zu haben ist und wie viele Jobs bei einer Überregulierung verloren gehen – all das wolle niemand wissen.