Hängebrücke zur Idylle: Der Max-Eyth-Steg Foto: Benjamin Schieler

27 Brücken liegen derzeit auf Stuttgarter Gemarkung – von der Brücke Hafen Süd kurz hinter Esslingen bis zum Vier-Burgen-Steg zwischen Mühlhausen und Hofen am nördlichen Zipfel der Landeshauptstadt. Der Neckar weiß auf diesem Lauf viel zu erzählen: viele Geschichten, viel Geschichte – und jede Brücke, jeder Steg, ist ein Mosaiksteinchen.

Bad Cannstatt - Zugegeben, Stuttgart ist nicht Hamburg oder Venedig. Wo weniger Fluss fließt, überbrücken ihn auch weniger Brücken und Stege. 27 sind es derzeit auf Stuttgarter Gemarkung – von der Brücke Hafen Süd kurz hinter Esslingen bis zum Vier-Burgen-Steg zwischen Mühlhausen und Hofen am nördlichen Zipfel der Landeshauptstadt. Der Neckar aber weiß auf diesem Lauf viel zu erzählen: viele Geschichten, viel Geschichte – und jede Brücke, jeder Steg, ist ein Mosaiksteinchen.

Ein ungestörtes Gespräch mit dem Neckar zu führen, ist nicht einfach. Die größte Gefahr besteht nicht darin, in einem Monolog zu versinken, weil der Fluss schlichtweg nicht spricht, sondern darin, die Hintergrundgeräusche so weit auszublenden, dass man die Antworten versteht.

Moderne und historische Brücken

Am unkompliziertesten gelingt das auf dem Max-Eyth-Steg. Zehn Gehminuten von der Mühlhäuser Straße entfernt sind Autolärm und Stadttrubel ganz weit weg. Auf der Austraße unterhalb der Weinberge tuckert vielleicht alle paar Minuten mal ein Traktor vorbei, ansonsten dringt einem hauptsächlich das Geschnatter und Gequake gefiederter Freunde im Naturschutzgebiet ins Ohr. Wo anderenorts Brückengeländer unter der Last unzähliger Liebesschlösser ächzen, finden sie sich hier nur vereinzelt. Schlimm genug, mögen Puristen murren. Dennoch: Die 1989 eingeweihte Hängebrücke vermittelt einen idyllischen Eindruck vom Trennenden und Verbindenden.

Zweimal zerstört und wieder aufgebaut: Die Wilhelmsbrücke in Bad Cannstatt.

Wer Historie erleben will, ist freilich in Bad Cannstatt besser aufgehoben. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft kommen am kompaktesten zusammen, wo der Wandel am spürbarsten ist. Es dürfte nicht viele Orte am Neckar geben, an denen auf so engem Raum so viele und so geschichtsträchtige Brücken stehen. Man sieht es der Wilhelmsbrücke heute nicht mehr an, aber als der namengebende König von Württemberg ihren steinernen Vorgänger an bewährter Stelle errichten ließ, 1835 bis 1839 nach den Plänen von Eberhard von Etzel, war sie ein Prunkstück. Zweimal ist sie zerstört worden, das erste Mal 1929 im Zuge der Kanalisierung des Neckars, das zweite Mal am 21. April 1945 im Zusammenhang mit dem Einmarsch alliierter Truppen in der Stadt. Das war damals kein Sonderfall. An diesem Tag erwischte es beinahe alle Brücken im Umkreis; verschont blieben nur der Voltasteg und der Berger Steg – an letzterem hing die Wasserversorgung. In seiner ursprünglichen Form ist er heute dennoch nicht mehr zu sehen. Beim Ausbau der Schifffahrtsstraße war der Mittelpfeiler im Weg, die Brücke bekam 1957 zwei Stahlbögen.

Jede Brücke hat ihre Besonderheiten

„Jede Neckarbrücke hat ihre Spezialitäten“, sagt Klaus Enslin, der Vorsitzende des Bürgervereins Untertürkheim, der sich vor zwei Jahren für eine Ausstellung über die Bauwerke in die Thematik eingearbeitet hat. Abenteuerlich waren zum Beispiel von 1891 an die Arbeiten für die König-Karls-Brücke. Damit sie zur Volksfesteröffnung am 27. September 1893 freigegeben werden konnte, mussten Experten mit Helmtauchgerät ran, die Verankerung von vier Brückenpfeilern per Druckluftverfahren im Neckargrund galt als sehr fortschrittlich. Auch auf ihr explodierte am 21. April 1945 Sprengstoff, genau wie auf der benachbarten Eisenbahnbrücke am Rosenstein, vor 100 Jahren die größte Betonbrücke der Welt.

Im Zuge von Stuttgart 21 entsteht eine neue Eisenbahnbrücke. Der 158 Meter lange, zur Bundesgartenschau 1977 erbaute Holzsteg muss deswegen bald weichen. Wer von ihm aus noch einmal den Dialog mit dem Fluss suchen will, sollte sich beeilen.